Maximilian Schachmann ist eines der größten deutschen Rad-Talente. Der 24-Jährige hat seine U23-Zeit beim Thüringer Energie Team begonnen und ist später zum Nachwuchsteam der belgischen Quick-Step-Mannschaft gewechselt. Dort hat er sich eindrucksvoll für einen Profi-Vertrag empfohlen. Er gewann die renommierte Tour Alsace, wurde Deutscher U23-Zeitfahrmeister und holte Silber bei der U23-WM

Auch in seine erste Profi-Saison beim Team Quick-Step ist Schachmann sehr gut gestartet. Bei der Tour de Romandie fuhr er lange vorn mit und landete am Ende keine zwei Minuten hinter Sieger Porte. Anschließend präsentierte er sich bei der Tour of California stark und konnte sich berechtigte Hoffnungen auf einen Start bei der Vuelta machen. Doch dann stürzte er bei der Polen-Rundfahrt schwer. Ein Trümmerbruch der Ferse sorgte für ein frühes Saisonende. Seit dem kämpft sich Schachmann zurück, mit Erfolg.

 

Auf dem Rad ist alles ok

„Wenn ich laufe, merke ich es noch, dann tut es schon weh“, sagt Schachmann Anfang Januar. Die Ferse selbst merkt er nicht, es schmerzt eher an Knöchel und Mittelfuß. „Aber auf dem Rad geht es alles super“, so der Berliner. Er ist kein Typ, den eine solche Verletzung aus der Bahn wirft. Zielstrebig und fokussiert, so beschreiben ihn Kollegen und Trainer.

Die Reha zieht sich nun schon seit einigen Monaten und noch immer klappt nicht alles perfekt, können nicht alle Muskeln zu 100 % nach Wunsch angesprochen werden. „Ich mache neben dem Training viele Übungen und ich merke, wie es besser wird. Klar, am Anfang waren die Fortschritte größer, nun dauert es einfach, bis es wieder bei hundert Prozent ist“, so Schachmann.

Auf dem Rad geht alles ohne Schmerzen, das sei das Wichtigste, betont er. „Probleme habe ich eher, wenn ich rennen muss. Aber das geht auch schon, ein kurzer Sprint zum Auto, wenn es regnet ist schon drin“, sagt Schachmann mit einem Grinsen. Man merkt ihm die Zuversicht nach dem ersten Team-Trainingslager im Dezember an.

 

Glück im Unglück

Max Schachmann fällt es nicht schwer, über die Verletzung zu sprechen. Er nimmt es als Herausforderung, geht Schritt für Schritt und verfolgt sein Ziel vehement. „Es ist mir schon bewusst, dass es eine schwere Verletzung ist. Aber für einen Radfahrer eben nicht ganz so schwer.

Ich hatte Glück, dass das vordere Sprunggelenk nicht betroffen ist, das ist für die Bewegung beim Radfahren enorm wichtig. Wenn ich Läufer wäre, wäre nix mit drei Monaten und dann weitermachen, da bräuchte man mindestens ein Jahr um zurückzukommen“, sagt Schachmann, als wäre die Reha ein Kinderspiel gewesen. 

 

Ein einfacher Sturz mit Folgen

„Schon blöd“, antwortet Schachmann trocken auf die Frage nach dem Sturz. „Es sind immer Umstände, die zusammen kommen, aber ich habe die Glätte der Straße einfach falsch eingeschätzt“, gibt er problemlos zu.  „Sowas glattes hatte ich noch nicht erlebt“, erklärt er rückblickend.

Er war auf der fünften Etappe der Polen-Rundfahrt in einer starken Ausreißergruppe, die Wetterbedingungen waren miserabel. Nach einem Sturz versuchte Schachmann sich wieder an die Spitzengruppe ranzukämpfen. „Durch die nassen, dreckigen Gläser der Brille sah ich einen Bogen vor mir. Da ich kein Motorrad oder irgendwas vor mir hatte, dachte ich, es geht dort lang. Doch das war der Bogen, durch den es nach dem Ziel ging und ich hab erst kurz vorher gesehen, dass ich links rum muss.“ Eine kurzes Antippen der Bremse hat gereicht. Er krachte unglücklich mit dem Fuß gegen den Bordstein

 

„Fuß durch, einen Monat Pause, dann weiter“ – daraus wurde nichts

Schachmann war sofort klar, dass etwas zu Bruch gegangen ist. „Ich habe sofort gedacht: Fuß durch, ein Monat Pause, dann weiter“, sagt Schachmann trocken. Aber nicht um den harten Kerl raushängen zu lassen, sondern um seine Enttäuschung zu beschreiben, als die Diagnose kam: Knochen zersplittert, OP, lange Reha, da war auch mental eine Herausforderung.

„Ich habe für die Vuelta extrem viel trainiert, wollte sie unbedingt fahren, weil es für die Entwicklung als Fahrer wahnsinnig wichtig ist, eine dreiwöchige Rundfahrt zu fahren. Natürlich war ich im ersten Moment sehr enttäuscht, aber das war schnell vorbei“. Schachmann blickt lieber voraus, will am liebsten gleich die nächste GrandTour in Angriff nehmen. Seine Ziele sind stets hoch gesteckt, er muss eher gebremst, als gepusht werden. 

 

Lernen und entwickeln

Schachmann hat sich über den Rückhalt des Teams und die Nachfragen während der Reha, wie es ihm ginge, sehr gefreut. Aber er will lieber im Sattel zeigen, das er wichtig für die Mannschaft ist. „Bei uns im Team haben wir bei jedem Rennen einen dabei, der ganz vorn landen kann. So haben wir alle in jedem Rennen unsere Aufgaben, müssen uns in den Dienst der Kapitäne stellen“, sagt Schachmann. Nach dem Weggang von Marcel Kittel ist Schachmann nun der einzige Deutsche im Team. „Das spielt keine Rolle“, sagt der Berliner, der sich bei Quick-Step offenbar sehr wohl fühlt.

Nach seiner Genesung will Schachmann auf den Leistungen von 2017 aufbauen. Er habe in seiner Premieren-Saison gesehen, dass er in der WorldTour mithalten kann. „Selbst an dem Tag, als ich bei der Tour de Romandie meine gute Platzierung verloren habe. Als Richie Porte attackierte und nach vorn fuhr, da ging es mir echt schlecht. Aber da kamen dann Fahrer wie Chris Froome von hinten und der sah auch nicht gut aus“, so Schachmann. 

 

Erst vollständig genesen, dann Strade Bianche und Giro d’Italia

Im ersten Trainingslager war man beim Team überrascht, was der 24-Jährige bereits wieder im Stand ist, zu leisten. Seine Ziele sind klar, doch die Rückkehr zu 100% ist nur eine Zwischenstation. „Es wäre toll, wenn ich den Giro fahren könnte, das ist wirklich ein Ziel für mich“, sagt Schachmann.

Aber auch ein WM-Start ist eines seiner Ziele. Sollte die Genesung so weiter verlaufen, wie bisher, könnte die Katalonien-Rundfahrt der erste echte Test sein. Zuvor würde er aber gern bei der Strade Bianche starten. „Da habe ich richtig Bock drauf, auch wenn ich keine Ahnung habe, ob ich da gut bin“, sagt Schachmann. „Ich fahre hier viel Cross, aber meist für mich allein. Dort sind dann die besten der Welt am Start“, sagt er und zieht die Brauen hoch. „Aber immer diese Wellen hinauf, und dann die Schotterstraßen, wo es überhaupt nicht rollt, das kann schon interessant sein“, fügt er grinsend an. Mit Zdenek Stybar hat das Team einen Kapitän, der das Rennen bereits gewonnen hat und dort konstant stark fährt.

Etwas enttäuscht schaut Schachmann auf die wenigen Zeitfahren. Er war extra im Windtunnel in den USA, hat seine Position weiter verbessert und würde gern sehen, wie nah er nun schon wieder an die Weltspitze rankommt. Doch bei seinem Rennprogramm könnte es eine Weile dauern, ehe er das erste Mal allein gegen die Uhr kämpft. Vollständig genesen, besser werden, angreifen – das ist der Plan. „Als junger Fahrer muss man schauen, welche Chancen sich bieten. Diese muss man dann nutzen“, erklärt Schachmann nüchtern.