Teuns holt den nächsten Sieg für Bahrain-Victorious
Was die Mannschaft Bahrain-Victorious in dieser Saison abliefert, ist extrem beeindruckend. Satte 18 Siege konnte man bereits einfahren. Im gesamten Jahr 2020 waren es nur halb so viele. Aber es ist weniger die bloße Zahl beeindruckend, als die Qualität der Resultate. Beim Giro musste man sehr früh den Ausfall von Mikel Landa verkraften. Dennoch holte man zwei Etappensiege und landete am Ende mit Damiano Caruso überraschend auf dem Podium.
Bei der Dauphine fuhr Mark Padun unglaublich stark und holte auf den beiden schwersten Etappen jeweils den Sieg. Nun geht das bei der Tour so weiter. Matej Mohoric siegte nach einer überragenden Leistung am Freitag in Le Creusot. Am Samstag legten nun Dylan Teuns und Wout Poels nach. Poels holte sich nach einem beeindruckenden Auftritt das Bergtrikot und Teuns fuhr den Etappensieg ein.
Was dieses Team in diesem Jahr leistet, lässt die Konkurrenz staunen. Pello Bilbao liegt aktuell in der Gesamtwertung noch in den Top10 – man darf gespannt sein, was ihnen in den nächsten zwei Wochen noch gelingt.
Pogacar deklassiert den Rest
Die letzten Zweifel sind ausgeräumt – Tadej Pogacar ist der mit Abstand stärkste Fahrer im Feld der 108. Tour de France. „Pogacar war unglaublich“, sagte Wilco Kelderman nach dem Rennen. Besser kann man es nicht beschreiben. Nachdem die Konkurrenz am Freitag die UAE-Mannschaft unter Druck setzte und Pogacars Helfer Federn lassen mussten, drehte Pogacar den Spieß auf der ersten Alpenetappe um. Er attackierte, ließ die gesamte Konkurrenz stehen und liegt nun mit komfortablem Vorsprung an der Spitze der Gesamtwertung. Wenn er nicht stürzt oder krank wird, so scheint es aktuell, ist er bei dieser Tour nicht zu besiegen.
Der Kampf ums Podium
Nachdem Primoz Roglic und Geraint Thomas sich endgültig aus dem Kampf um die Gesamtwertung verabschiedet haben, könnte der Kampf um die zwei verbliebenen Plätze auf dem Podium sehr spannend werden. Richard Carapaz ist stark, aber nicht stärker als die Konkurrenz. Bergauf vielleicht im Vorteil, ist er im Zeitfahren schlagbar. Rigoberto Uran, Wilco Kelderman, Enric Mas, Jonas Vingegaard, David Gaudu, Pello Bilbao, Guillaume Martin, Sergio Henao … eine ganze Reihe von Fahrern scheint in etwa auf einem Niveau. Einige von ihnen haben das Potenzial zur großen Tour-Überraschung.
Unglaublich?
Als Tadej Pogacar das Zeitfahren der Tour 2020 gewann und das Gelbe Trikot holte, blieb eine Frage offen: War das eine absolut unglaubliche Leistung, oder ist das einfach das neue Niveau und er wird künftig noch öfter so fahren? Nach dem Zeitfahren am Mittwoch und dem Auftritt vom Samstag deutet einiges auf Zweiteres hin. Wilco Kelderman sprach bei Pogacars Leistung von „unglaublich“. Dieser Einordnung schließen sich sicher viele Beobachter an. Allein der Vorsprung Pogacars wirkt fast übertrieben.
Dabei darf man aber nicht außer Acht lassen, dass die Konkurrenz nicht so stark scheint, wie in den vergangenen Jahren. Primoz Roglic ist nach seinem Sturz nicht konkurrenzfähig, Egan Bernal ist nach seinem Girosieg nicht dabei. Von den aktuellen Top10 der Gesamtwertung hat nur Richard Carapaz eine GrandTour zuvor gewonnen. Auf dem Podium der Tour de France stand ausschließlich Rigoberto Uran.
Nun ist es sehr schwer, gefahrene Zeiten an Anstiegen miteinander zu vergleichen. Wind, Fahrweise, Wetter, Konkurrenz, … es sind viele Parameter die das Ergebnis beeinflussen. Aber glaubt man der Messung vom meist sehr korrekt arbeitenden Twitter-Nutzer ammattipyoraily, war Pogacar am Col de la Romme ähnlich schnell wie die Schleck-Brüder und Contador 2009. Bei anderen Rennen waren Fahrer wohl noch schneller. Also doch keine außerirdische Leistung?
Als Messgröße für die Leistungsfähig gilt für Klassementfahrer Watt/kg. Früher war alles über ~6,3 Watt/kg über einen bestimmten Zeitraum sehr gut. Spricht man mit Trainern und Sportlern die zur Weltspitze gehören, bestätigen sie, dass sich das Niveau nun deutlich nach oben geschoben hat. Immer bessere Trainingsmöglichkeiten, wissenschaftliche Ansätze und ein grundsätzlicher Anstieg der Leistungsdichte hätten dazu geführt, dass das Niveau bei den Rennen gestiegen sei. Ein Blick auf die Rennen von 2020 legt das nahe.
Pogacars Leistung bleibt mindestens beeindruckend, vielleicht unglaublich. Kein Wunder, dass ihm „Fans“ im Netz Doping unterstellen. Dass in seinem UAE-Team Personen das Sagen haben, die einen miserablen Ruf in Sachen Doping genießen, lässt einige schnell eine Rechnung aufmachen, deren Parameter einfach aus Matheaufgaben der Vergangenheit genommen werden. Hier sollte man aufpassen, dass man es sich nicht zu leicht macht. Klar, einige Medien werden nun Parallelen ziehen wollen, zu Saunier Duval, Geox oder gleich zu US Postal und Gewiss Ballan. Aber will man wirklich dahinter schauen, reicht nicht der Blick in Ergebnislisten und frühere Skandale.
Es ist richtig und wichtig, dass die Öffentlichkeit die Zeiten hinter sich gelassen hat, als man Märchen einfach so glauben wollte. Es ist gut, dass der Radsport scheinbar die Zeiten hinter sich gelassen hat, als positive Tests verschwinden konnten, weil der Sport in einer korrupten und Doping verseuchten Blase steckte und der Druck von außen viel geringer war. Es ist ein Fortschritt des Radsports, dass man genau hinschaut, dass Sachen ans Licht kommen, auch innerhalb der Radsportwelt Skepsis herrscht.
Natürlich wäre es naiv zu glauben, der (Rad-)Sport wäre frei von Betrügern. Es gab den Festina-Skandal, Fuentes und Aderlass, und es wird wieder einen Dopingfall geben. Denn Menschen betrügen, wenn es um viel geht. Leider. Davon nun aber abzuleiten, es wären alles Betrüger, die als Profi durch Frankreich rollen, wäre auch zu einfach.
Es heißt von Dopingjägern, dass die Kontrollinstanzen immer einen Schritt hinterher hinken. Aber schaut man auf die Entwicklung in den vergangenen Jahren, haben Blutpass, intelligente Kontrollen und eine veränderte Kultur viel bewegt. In den schlimmsten Zeiten wurden die Fahrer Profis und stiegen so in eine Welt ein, in der Doping ganz normal war. Die Öffentlichkeit schaute weg, oder einfach nicht genau hin.
Dass im Radsport nun jede großartige Leistung kritisch hinterfragt wird, ist ein Glück für den Sport. Solange es fair bleibt und keine Vorverurteilungen gemacht werden. Für die ehrlichen Fahrer, die sich kritische Fragen gefallen lassen müssen, ist dies sicher wenig schlimm. Denn wenn das bei allen anderen auch gemacht wird, haben es Betrüger schwerer. Und jeder Betrüger der erwischt wird, ist gut für den Radsport, denn es wird wieder aussortiert und das Signal gesendet, dass man den Kampf gegen Doping ernst nimmt. Man kann sicher bei stets negativ getesteten Sportler nicht 100% sicher sein, dass sie wirklich nicht betrügen, aber man muss eben auch erstmal beweisen, dass sie betrügen, ehe man richtet.
Tadej Pogacar ist so stark, dass er sich kritische Fragen gefallen lassen muss. Er wird künftig viel und intelligent getestet werden und ganz sicher werden „Dopingjäger“ intensiv suchen. Das gehört zum Spitzen-Radsport dazu und wäre auch in anderen Sportarten wünschenswert. Thesen ohne Belege, Anfeindungen und Vorverurteilungen helfen dem Sport hingegen nicht.