Karte Gent-Wevelgem 2022

Einst war Gent-Wevelgem ein Klassiker für die Sprinter. Zumindest konnte oft ein Sprinter gewinnen. Doch ein Sprint-Klassiker ist es längst nicht mehr. Auch wegen der Gravel-Passagen, die vor einigen Jahren in Erinnerung an die Opfer des ersten Weltkrieges und den geschichtsträchtigen Waffenstillstand zur Weihnachtszeit 1914 eingebaut wurden. Diese „Plugstreets“ (Naturstraßen) geben dem Rennen einen weiteren Charakterzug und haben Gent-Wevelgem doch ein wenig anspruchsvoller gemacht.

Das Wahrzeichen des Rennens ist der „Kemmelberg„. Seit Jahren fest mit dem Rennen verbunden und schon häufiger Schauplatz der Vorentscheidung. Dieser steile Pflasteranstieg wird mehrfach gefahren und ist oft der Scharfrichter. Ein weiteres Element ist meist der Wind. Denn gerade in der ersten Rennhälfte geht es über offenes Terrain und es können sich Windstaffeln bilden. Doch aktuell ist kein heftiger Wind vorhergesagt.

Bei Gent-Wevelgem gilt der alte Spruch „Die Fahrer machen das Rennen“ ganz besonders. So kann es durchaus am Ende zum Sprint einer größeren Gruppe kommen, aber auch ein kleines Grüppchen durchkommen.

Die Strecke

Viele Jahre startete das Rennen in Deinze, erst seit 2020 fällt der Startschuss in Ieper, wo früher bereits die Nachwuchswettbewerbe des Rennens gestartet wurden. Nach dem Start wird eine größere Schleife gen Osten gefahren, dann geht es gen Westen – wo auf offenem Gelände Windstaffeln drohen. Die Region „De Moeren“ – am nordwestlichen Zipfel der Strecke ist bekannt für Windkanten-Schlachten bei Radrennen. Bläst der Wind heftig, kann das Feld hier in viele Gruppen zerfallen.

Anschließend geht es in Richtung Kemmelberg und das Finale des Rennens beginnt bereits rund 100 Kilometer vor dem Ziel. In mehreren Schleifen geht es über die kurzen Anstiege. Zunächst über Scherpenberg, Baneberg zum Monteberg-Kemmelberg Doppel. Danach werden die Plugstreets befahren und man kommt von Osten zurück zum Monteberg und fährt anschließend erneut den Kemmelberg.

Dann wird noch einmal die westliche Schleife über den Scherpenberg und Baneberg gefahren, ehe es ohne Monteberg zur letzten Kemmelberg-Auffahrt geht. Diesmal wird „der Kemmel“ von der anderen Seite über die Ossuaire-Seite erklommen.

Ist der Kemmel gemeistert, sind es noch 34 flache Kilometer zum Ziel. Die letzten Kilometer geht es leicht geschwungen nach Wevelgem. In der Anfahrt kann der Wind eine Rolle spielen, denn erst auf dem letzten Kilometer bieten die Häuser entlang der Straße Schutz vor dem Wind.

Die letzten Kilometer von Gent-Wevelgem

Die Favoriten

Nach dem starken Auftritt der Jumbo-Visma-Mannschaft bei der E3 Saxo Bank Classic zählen vor allem Wout van Aert und Christophe Laport erneut zu den Favoriten. Doch einige Teams haben ihre Aufgebote etwas verändert, im Vergleich zum Freitag. Denn so sind deutlich mehr endschnelle Männer dabei. Das kann den Verlauf des Rennen stark beeinflussen, denn es haben mehr Mannschaften ein Interesse an einem Sprint, können Ausreißer schwer haben. QuickStep hat nun Fabio Jakobsen mit ins Aufgebot genommen, Alpecin-Fenix schickt Tim Merlier und Jasper Philipsen ins Rennen und für UAE sind Pascal Ackermann und Matteo Trentin im Aufgebot. Auch Dylan Groenewegen und Arnaud Demare sind am Start. Bei Bora-hansgrohe ist Sam Bennett im Aufgebot.

Kommt es am Ende zu einem Sprint, oder wird das Rennen so schwer gemacht, dass nur ein kleines Grüppchen der Top-Fahrer am Ende um den Sieg fährt? Beides scheint möglich, doch so stark wie vor allem Jumbo-Visma sich aktuell präsentiert werden viele endschnelle Männer es wohl schwer haben zu folgen, wenn in den Anstiegen das Tempo angezogen wird.

Mads Pedersen, Christophe Laporte und Wout van Aert sind sehr endschnell und dürften zudem auch an den Hellingen zu den stärksten Fahrern gehören. Fahrer wie Sören Kragh Andersen oder Stefan Küng sollten einen Sprint mit diesen Herren eher vermeiden und werden sicher versuchen diese abzuhängen. Sanremo-Sieger Matej Mohoric ist sicher auch zum Favoritenkreis zu zählen. Florian Senechal ist auch einer der Fahrer, die recht endschnell sind. Seine Form scheint sehr gut zu sein, denn beim E3-Prijs stoppte ihn ein Defekt in einem ungünstigen Moment und so gehörte er nicht zur Favoritengruppe, aus der sich Van Aert und Laporte am Paterberg absetzten.

So stark, wie sich Jumbo-Visma auch am Freitag präsentierte, wird man das Rennen vermutlich ab dem Kemmelberg schwer machen wollen. Dann heißt es für die Konkurrenz, dabeizubleiben. Allerdings wird Jumbo-Visma sicher auch die Verantwortung für das Rennen übertragen bekommen und man darf gespannt sein, welchen Plan sich Ineos Grenadiers oder auch QuickStep Alpha Vinyl zurechtlegen. Trek-Segafredo hat mit Mads Pedersen einen Fahrer dabei, der auch Wout van Aert im Sprint schlagen kann. Dazu scheint Jasper Stuyven wieder in Form zu kommen und könnte eine offensive Rolle einnehmen, während Pedersen bei Van Aert bleibt.

Bei den vergangenen beiden Austragungen kämpfte am Ende jeweils nur eine kleine Gruppe um den Sieg, doch 2019, als Alexander Kristoff siegte, kam es zum Sprint aus einer 30-Mann-Gruppe. Im Jahr 2018 gewann Peter Sagan im Sprint einer größeren Gruppe, 2017 kamen Greg van Avermaet und Jens Keukeleire durch – zuvor wurde das Rennen ohne Naturstraßen ausgetragen. Es scheint alles möglich, Spannung ist garantiert.

***** Wout van Aert
**** Mads Pedersen
*** Christophe Laporte, Kasper Asgreen
** Stefan Küng, Anthony Turgis, Arnaud Démare, Sören Kragh Andersen
* Tim Merlier, Matej Mohorič, Jasper Philipsen, Tom Pidcock, Florian Sénéchal, Biniam Girmay, Rasmus Tiller

 Die Startliste bei Firstcycling

Start: 10:50 Uhr
Ziel: ~17 Uhr