Nach der spektakulären fünften Etappe hat die Gesamtwertung der Tour eine klare Struktur. Jai Hindley trägt das Gelbe Trikot, der stärkste Fahrer im Rennen ist aktuell Jonas Vingegaard. Nach dem heftigen Rennen am Mittwoch werden die Fahrer die Anstrengungen sicher spüren. Ob es erneut ein Berg-Spektakel gibt, bleibt abzuwarten. Das Terrain ist jedenfalls erneut anspruchsvoll. Rund 3800 Höhenmeter hat diese sechste Etappe. Es ist die zweite und letzte Pyrenäen-Etappe dieser Tour.
Es geht über den Aspin und dann den legendären Col de Tourmalet. Eine echte Tour-Legende und Schauplatz geschichtsträchtiger Etappen. Von der schwereren Seite geht es hinauf und die Kommentatoren werden die Geschichten dieses Tour-Berges erzählen – der Gabelbruch von Eugène Christophe darf nicht fehlen. Und Jens Voigt kann wieder die Geschichte erzählen, als er 2010 auf einem gelben „Kinderfahrrad“ des neutralen Begleitwagens am Peyresourde fuhr, denn auch damals ging es über den Tourmalet. Längst Radsport-Kulturgut.
Das Finale der Etappe ist die Bergankunft in Cauterets-Cambasque. Erst ein Mal zuvor war am Plateau du Cambasque Zielankunft einer Tour-Etappe – 1989 gewann ein damals junges Talent namens Miguel Indurain. „Don“ Miguel – einer der Größten aller Zeiten!
Der Schlussanstieg ist nicht superschwer, doch die letzten fünfeinhalb Kilometer haben es in sich – es geht im Schnitt mit fast 8% bergan. Wer sich gut fühlt, kann hier die Konkurrenz testen. Möglicherweise hat einer der Top-Fahrer etwas müde Beine, nach dem schweren Ritt am Mittwoch – dann könnte es durchaus Abstände geben. Jai Hindley wird hoffen, dass Jonas Vingegaard nicht wieder die Rakete zündet – denn sonst könnte das Gelbe Trikot die Schultern wechseln. Doch Vingegaard wird sich gut überlegen, ob er Gelb schon jetzt übernehmen möchte.
Der Kampf um den Tagessieg könnte sich durchaus in der Fluchtgruppe des Tages abspielen. Die ersten Kilometer sind nur wellig, vielleicht formiert sich diesmal schnell eine Gruppe ohne echten Klassementfahrer – das würde die Erfolgschancen der Ausreißer sicher erhöhen. Denn Bora-hansgrohe wird eine Menge investieren, um das Gelbe Trikot auf den Schultern von Hindley zu belassen.
Die Vorschau wird präsentiert von: Kalas
Die Strecke
Von Tarbes geht es zunächst ostwärts, dann gen Süden in die Pyrenäen. Zunächst steht eine Bergwertung der Kategorie drei an – nicht viel mehr als ein Vorgeschmack auf das, was noch folgt. Die Sprintwertung wird nach 49 Kilometern abgenommen, danach geht es noch flach weiter, dann beginnt die Kletterei nach rund 90 Rennkilometern.
Der erste Anstieg ist der zum Col d’Aspin. Satte 12 Kilometer Anstieg mit 6,5 % Durchschnittssteigung. Nach dem Gipfel folgt die lange Abfahrt, ehe rund 60 Kilometer vor dem Ende der Anstieg zum Tourmalet beginnt.
Es geht von Osten hinauf, über die schwerere Seite. Durch den wenig schicken Skiort La Mongie und dessen Bettenburgen.
Im unteren Teil ist die Steigung noch moderat, aber die letzten zehn Kilometer haben fast 9% Steigung im Schnitt. Es wird kaum mal flacher, dazu die Höhe. Der Gipfel liegt 2115 ü NN.
Es folgt die lange, schnelle Abfahrt nach Luz-Saint-Sauveur, anschließend geht es noch ein kurzes Stück flach zum letzten Anstieg des Tages.
Satte 16 Kilometer ist dieser Anstieg lang, doch nur die letzten Kilometer sind wirklich anspruchsvoll. Die Straße ist recht schmal, es gibt einige Haarnadelkurven – die Bilder der Hubschrauber-Kameras dürften eindrucksvoll sein. Das ist sicher nicht der schwerste Berg der Tour, aber nach der schweren Etappe am Mittwoch und mit Aspin und Tourmalet in den Beinen, könnte es für einige Fahrer eine echte Herausforderung sein.
Bergwertungen:
Kat 3 | km 29.9 | Côte de Capvern-les-Bains | 5.6km 4.8%
Kat 1 |km 68.1 – Col d’Aspin | 12km 6.5%
Kat HC |km 97.9 – Col du Tourmalet | Souvenir Jacques Goddet | 17.1km 7.3%
Kat 1 | km 144.9 – Cauterets-Cambasque | 16km 5.4%
Sprintwertung:
KM 49.2 – SARRANCOLIN
Die Favoriten
Diese Etappe scheint ideal für einen Ausreißersieg eines starken Kletterers. Starke Kletterer, die im GC ausreichend weit zurück liegen, gibt es nun einige. Thibaut Pinot, Louis Meintjes, Guillaume Martin, Ruben Guerreiro, Harold Tejada, Matteo Jorgenson, Aurélien Paret-Peintre und auch Warren Barguil – um nur einige zu nennen. Auch Neilson Powless zählt dazu, der sein Bergtrikot an Felix Gall abgeben musste und es vielleicht zudem gern wiederhaben möchte. Auch Victor Lafay, Georg Zimmermann oder Rui Costa wären Kandidaten für die Gruppe des Tages. Wie stark Felix Gall nach seinem Ritt am Mittwoch ins Bergtrikot ist, muss man abwarten.
Möglicherweise sieht auch einer der Fahrer eine Chance, die zwar keinen riesigen Rückstand in der Gesamtwertung haben, aber darauf hoffen, dass Jumbo-Visma sie ziehen lässt und dem nicht ganz so starken Team Bora-hansgrohe die Tempoarbeit überlässt. So ließe sich auch im GC etwas Zeit gutmachen. Tom Pidcock, Mikel Landa, Ben O’Connor oder auch Pello Bilbao könnten mit diesen Gedanken spielen.
Wie das Rennen läuft, hängt von der Zusammensetzung der Gruppe des Tages ab, und natürlich den Interessen der Top-Fahrer im Feld. Kommt es am Ende doch zum großen Kampf der GC-Fahrer um den Tagessieg, ist Jonas Vingegaard wohl der Top-Favorit auf den Tagessieg.
***** –
**** T. Pidcock, N. Powless, Pinot
*** Zimmermann, Vingegaard, Guerreiro, Barguil
** D. Teuns, Skjelmose, S. Yates, Hindley, Gaudu, Pogacar, Bilbao
* Ciccone, Kwiatkowski, Pedrero, Lafay, Landa
Start: 13:10 Uhr
Ziel: ~ 17:20 Uhr