Zdenek Stybar, Etixx-Quickstep
Würde Tom Boonen bei der Flandern-Rundfahrt in Topform am Start stehen, … wir sparen es uns. Es gibt sicher eine Handvoll Teammanager die neidisch in Richtung Etixx-Quickstep schauen. Topstar Tom Boonen fällt aus und trotzdem steht eine potenzielle Siegermannschaft am Start. Doch mit Boonen und Cancellara (Trek) fehlen zwei, die das Rennen prägen. Die Ronde ist offener denn je – die Chance von Zdenek Stybar. Der Tscheche hat in diesem Frühjahr eine beeindruckende Form. Bei der Strade-Bianche war er eindeutig der Stärkste, hängte im Schlussanstieg Greg van Avermaet (BMC) und Alejandro Valverde (Movistar) ab. Stybar ist keiner der abwartet, er greift an und zieht durch, das könnte am Sonntag entscheidend sein.
Geraint Thomas, Sky
Sieg bei E3-Harelbeke, Dritter bei Gent-Wevelgem – Geraint Thomas ist nicht nur bei den Buchmachern Ronde-Topfavorit. Dass der Brite in diesem Frühjahr eine brutal starke Form hat, zeigte er vor allem bei Paris-Nizza. Wie Thomas seinen Teamkollegen Richie Porte im Schlussanstieg nach Croix de Chaubouret zum Etappensieg führte, war beeindruckend. Dass er dann bei den Klassikern einschlägt, keine Überraschung mehr. Doch jetzt blicken alle auf ihn, die Erwartungen sind groß, keine einfache Situation.
John Degenkolb, Giant-Alpecin
Dass John Degenkolb das Zeug zum Ronde-Sieg hat ist unbestritten. Sicher liegt ihm das Pflaster von Paris-Roubaix noch etwas mehr, als die flandrischen Hellinge, doch das kann am Sonntag ein Vorteil sein. Denn nach seinem Sieg bei Mailand-Sanremo verspürt Degenkolb nur noch den Druck, den er sich selbst macht. Kaum jemand wird lockerer am Start stehen, als der Monument-Sieger. Dass es „Dege“ dabei schleifen lässt, muss man nicht fürchten, er liebt die Frühjahrsklassiker. Egal wie das Rennen läuft, er MUSS nicht, kann „einfach“ mitfahren. Wie endschnell er auch nach mehr als 250 km ist, hat sich rumgesprochen, dass er nur schwer abzuhängen ist auch. Hat er am Sonntag die Beine, ist alles drin.
Alexander Kristoff, Katusha
Zweiter bei Kuurne-Bruxelles-Kuurne, Zweiter in Sanremo, Vierter bei E3-Harelbeke, Seriensieger bei den Driedaagse De Panne-Koksijde – über Kristoffs Form muss man nicht diskutieren. Endschnell, tempohart, kein Problem mit miesem Wetter oder Pflaster, Alexander Kristoff bringt alles mit, um bei der Ronde zu gewinnen. Doch im ganzen Peloton gibt es niemanden, der mit dem Norweger gemeinsam auf die letzten 200 m gehen will. Kristoff ist neben John Degenkolb der schnellste Mann, auch nach einem harten Rennen. Die Konkurrenz wird nichts unversucht lassen ihn an den Hellingen abzuhängen. Es wird eine harte Aufgabe für das Katusha-Team das Rennen zu kontrollieren, denn in jeder Verfolgergruppe mit Kristoff wird man ihn anschauen und die Arbeit machen lassen – das Los des endschnellen Favoriten. Ob Katusha dazu bereit und stark genug ist, wird man sehen, vielleicht spielt man auch eine andere Karte, Kantenfuchs Paolini hätte da sicher eine Idee.
Peter Sagan, Tinkoff-Saxo
So richtig rund läuft es bei Peter Sagan im Jahr 2015 noch nicht. Ein Etappensieg bei Tirreno-Adriatico, mehr nicht. Der Slowake gehört zu den größten Talenten aller Zeiten. 63 Profisiege, 2x Grünes Trikot in Paris, E3-Harelbeke, Gent-Wevelgem … sein Palmares ist 20 Seiten lang, da sind die Erwartungen riesig. Dabei ist der Kerl erst 25 Jahre alt! In diesem Jahr scheint Sagan nicht ganz so stark. Bei der Strade Bianche konnte er nicht folgen, bei E3-Harelbeke war er gegen Thomas und Stybar im Finale chancenlos. Obwohl Boonen und Cancellara nicht am Start stehen, sind andere die Topfavoriten. Vielleicht ist genau das Sagans Vorteil, denn in der Vergangenheit musste er oft im Finale die Verantwortung übernehmen, jetzt kann er die anderen machen lassen.
Der Außenseiter
Ronde-Doppelsieger Stijn Devolder, Trek
Ja, ich gebe euch ja Recht, einen Ronde-Doppelsieger (2008 & 2009) als Außenseiter-Tipp zu bringen, ist nicht gerade die Brechstangen-Attacke 90 km vor dem Ziel. Ich hätte auch lieber Jack Bauer (Cannondale-Garmin) gesagt, aber ich MUSS Stijn nehmen. Warum? Der Kerl ist unberechenbar, manchmal macht er mir Angst und er wird am Sonntag die Brechstange auspacken. Team-Kapitän Cancellara ist nicht da – freie Fahrt für Stijn. Die Form stimmt, das konnte man bei den Dreedags sehen. Er kennt jeden Stein in Flandern mit Vornamen, jede Hecke hinter dem man sich kurz vor dem Wind verstecken kann, hat er selbst geschnitten. Lässt man Stijn am Sonntag zu weit weg, kann es sein, dass man ihn erst zur Bierdusche wieder sieht.