Mit der Verpflichtung von Peter Sagan, Rafal Majka und Leopold König hat sich das Bora-Team in die Weltspitze des Radsports katapultiert. Doch nicht nur die Fahrer sollen beim Team von Ralph Denk erstklassig sein, sondern auch die Struktur und der Kern des ganzen Teams. Im Bereich Training wurde mit der Neuverpflichtung von drei Fachleuten bereits aufgerüstet. Neben Patxi Villa, der mit Sagan vom Tinkoff-Team zu Bora gewechselt ist, wurden auch Helmut Dollinger und Dan Lorang verpflichtet. Das Trio soll den Trainingsbereich im Team nun aufbauen und die Fahrer zu Höchstleistungen verhelfen.

Wir haben mit dem Luxemburger Dan Lorang, der auch Ironman-Hawaii-Sieger Jan Frodeno trainiert, über die neue Herausforderung bei Bora gesprochen.

 

Herr Lorang, wie kam der Kontakt zum Team Bora zustande?

Der Kontakt zum Team kam über einen anderen Trainer, Helmut Dollinger, zustande. Helmut trainierte bereits einen Fahrer aus dem Team und war auch im Gespräch, dort Trainer zu werden. Ich kenne ihn schon über mehrere Jahre, noch aus der Zeit, als ich in München gelebt habe. Er hat mich angerufen und gefragt, ob ich prinzipiell Interesse hätte und ob ich mir sowas vorstellen könnte.

 

Und warum war es interessant?

Aus mehreren Gründen. Ein Aspekt ist, dass mich der Radsport fasziniert. Ich hab ja bereits beim Cervelo-Test-Team gearbeitet und bin auch als Amateur Radrennen gefahren, insofern habe ich schon länger eine Beziehung zum Radsport. Vor allem, dass es ein Teamsport ist, finde ich sehr interessant. Das betrifft zum einen die Fahrer, zum anderen das Team drumherum. Alle versuchen gemeinsam dem Kapitän zum Erfolg zu verhelfen, das finde ich sehr spannend. Dazu mag ich die Stimmung im Radsport. Es waren also mehrere Sachen, die mich gereizt haben zum Radsport zurückzukommen.

 

Läuft die Betreuung von Jan Frodeno parallel weiter?

Ja, genau. Wir hatten das bereits im ersten Treffen mit Ralph Denk und Enrico Poitschke besprochen, denn ich will diese langjährige Zusammenarbeit gern weiterführen. Dazu gibt es auch einige Transfereffekte, wenn man in beiden Sportarten tief drinsteckt. Man kann das sicher in beide Richtungen nutzen. 

 

Wie wird das Training unter den drei Trainern im Team aufgeteilt?

Es gibt eine Zuordnung der Fahrer. Jeder Trainer betreut neun Fahrer, immer in enger Absprache mit der sportlichen Leitung. Auch die Trainer untereinander sprechen sich ab. Wir haben ein sehr transparentes System und jeder Trainer weiß, was der andere macht. Wir versuchen das Know-How was wir haben zu bündeln und für alle Fahrer zu nutzen.

 

Gibt es ein spezielles Tool für die Trainingsarbeit?

Wir arbeiten mit Web4Trainer, das ist eine Plattform, die Helmut Dollinger mit entwickelt hat.

 

Wie wurde zugeteilt, wer welche Fahrer betreut?

Die Fahrer von Patxi, der ja von Tinkoff zum Team gewechselt ist, betreut er auch weiterhin, das ist ja auch sinnvoll. Bei den anderen Sportlern wurde geschaut, wie es gut zusammenpassen kann. Es waren dabei eher weiche Faktoren, die da eine Rolle gespielt haben. Man muss dann in der täglichen Arbeit mit den Athleten natürlich schauen, ob das wirklich passt, aber das schaut bislang sehr gut aus. Wir haben dennoch die Möglichkeit zu tauschen, weil wir als Team zusammenarbeiten und uns austauschen. Man muss eben immer beide Seiten, also die fachliche und auch die menschliche, berücksichtigen. Wir haben jetzt eine Entscheidung getroffen und es passt auch, aber nach einem halben Jahr weiß man sicherlich mehr.

 

Das Team hatte bislang keine Trainer-Infrastruktur, wie sind Sie an den Aufbau herangegangen?

Wir haben ganz klar besprochen, dass wir ein durchlässiges System wollen und jeder sehen kann, was der andere macht. Wir kommunizieren den Fahrern ganz klar, dass wir wollen, dass jeder Fahrer von einem Teamtrainer betreut wird. So sieht es ja auch die UCI vor. Aber man arbeitet eben mit Menschen und bei einem Fahrer, der schon seit Ewigkeiten mit einem Trainer erfolgreich zusammenarbeitet, kann man nicht rangehen und sagen, ich ändere jetzt alles. Da muss man vorsichtig rangehen und auch Kontakt mit den Heimtrainern aufnehmen und mit ihnen sprechen. Aber es ist klar, dass wir das Team-Trainer-Modell wollen und auch als Trainerteam viel kommunizieren wollen und die Trainerphilosophie ins Team reinbringen. Das ist uns bislang sehr gut gelungen, denke ich.

 

Wie funktioniert die Kommunikation zwischen Trainern und Teamleitung?

Das ist ein ganz interessanter Punkt, denn genau das muss sich erst noch finden. Wir haben mit Lars Teutenberg einen Performance Manager der auch eine wichtige Rolle spielt. Jetzt sind wir genau an dem Punkt, dass jeder seine Fahrer hat und wir wissen wie wir arbeiten wollen. Und jetzt gilt es in der täglichen Arbeit zu gucken, wie dieses Konstrukt „Trainer im Team“ funktioniert, denn das hat es bislang nicht gegeben. Wir versuchen dass über Offenheit und viel reden zu lösen und haben auf dem Papier eine klare Struktur. Aber es sind sechs sportliche Leiter, drei Trainer, mehrere Ärzte und Physios im Team und da ist das natürlich nicht ganz einfach. Aber ich denke, das wird sich schnell finden. Es ist nichts in Stein gemeißelt, denn da sind so viele verschiedene Persönlichkeiten, sodass sich das eben noch finden muss.

 

Ist das vielleicht auch gerade das spannende dieser Aufgabe?

Ja, genau. Ich sehe das als Chance und das ist mit der Grund, warum ich zugesagt habe. Es ist eben noch keine Struktur da und man kann diese nun mit aufbauen und viel Input geben. Es motiviert einen natürlich noch mehr, wenn man etwas mit aufbauen kann.

 

Gab es Anfragen anderer Teams? 

Es gab innerhalb der letzten zwei Jahre immer mal wieder Kontakte und es hätte sicher auch eine andere Möglichkeit gegeben. Aber hier passte einfach alles zusammen. Es ist ein gutes Team mit tollen Leuten. Auch die Möglichkeit den Radsport in Deutschland wieder nach vorn zu bringen und bei etwas Neuem dabei zu sein, finde ich spannend. Es hat einfach sehr viel dafür gesprochen und alles gepasst.

 

Jeder Trainer hat seine eigenen Vorstellungen, wie funktioniert das im neuen Team?

Es ist schon richtig, dass jeder auch seine eigenen Vorstellungen hat. Aber wir werden uns im Laufe der Zeit richtig kennenlernen und verstehen, wie der andere denkt und was die Hintergründe seiner Ideen sind. Wir haben jetzt vom Team auch keine speziell Philosophie vorgegeben bekommen, sondern jeder Trainer soll mit seinen Fahrern so arbeiten, dass er das Maximum rausholt. Aber wir wollen schon, dass man sich austauscht und auch mal nachfragt, wenn man nicht weiterkommt. Ich sag es mal so, jeder Trainer hat verschiedene Werkzeuge und vielleicht hat ein Trainer mal ein Werkzeug, dass ein anderer nicht hat. So können wir uns einfach mal die Werkzeuge ausleihen. Denn es geht schließlich immer darum, das wir die Fahrer weiterbringen, und nicht wer den besten Ansatz hat. Es geht um die beste Leistung der Athleten  und da holt man sich natürlich gern Ratschläge von den Kollegen.

 

Was machen Sie anders, was ist das besondere am Trainer Dan Lorang?

Ich würde spezifisch auf die aktuelle Situation bezogen sagen, dass ich schon länger nicht mehr im Radsport war. Ich schaue generell immer, was ist physiologisch gefordert und wie bringe ich meinen Fahrer da hin, ohne in irgendwelchen Grenzen zu denken. Um das kurz zu erklären, ich werde jetzt beispielsweise nicht sagen, „wir müssen jetzt noch soundsoviele Rennen fahren“, oder so etwas. Denn die Grenzen, die man ganz automatisch hat, wenn man schon eine Weile im Radsport arbeitet, die habe ich eben nicht, weil länger nicht mehr im Radsport war. Ich denke hingegen erstmal völlig frei und frage dann auch die Kollegen. Das hat Vor- und Nachteile, aber das könnte durchaus ein Plus sein, denn man schaut schon aus einem anderen Blickwinkel drauf und kann vielleicht Input geben, den es vorher noch nicht gab.

 

Gibt es etwas, worauf Sie sich besonders freuen, ein spezielles Rennen oder einen Fahrer?

Dadurch, dass ich bei meinen Fahrer einige habe, von denen man sich sehr viel ausrechnet und auch bei großen Rundfahren viel erwartet wird, ist es schon eine große Herausforderung. Da gibt es eine hohe Erwartungshaltung, der zunächst der Fahrer ausgesetzt ist, aber auch der Trainer. Und das ist natürlich spannend, gemeinsam mit dem Fahrer den Weg zu gehen und auszutüfteln, wie man dort hingelangt. Um welches Rennen es geht, ist absolut zweitrangig.

 

Auch die mentale Komponente ist im Radsport sehr wichtig, welche Rolle spielt dabei der Trainer?

Das ist ein sehr interessantes Thema und natürlich versucht man als Trainer die Sportler auch im Kopf aufs höchste Level zu bringen. Aber da ist das Zusammenspiel zwischen sportlichem Leiter und Trainer enorm wichtig. Der sportliche Leiter sitzt am Ende im Rennen im Auto, aber der Austausch ist wichtig, denn er muss wissen, was wir im Training gemacht haben, wo es Baustellen gibt und wo man anpacken kann. Klar kennen die sportlichen Leiter die Fahrer sehr gut, aber als Trainer bekommt man vielleicht auch Sachen mit und kann diese Infos  weitergeben. Es ist eben ganz wichtig, dass gut zusammengearbeitet wird.
Darüberhinaus gibt es natürlich auch die Möglichkeit mit Experten zusammenzuarbeiten, was sowohl für Athleten als auch den Trainer gut sein kann. Ich sag es mal so: Man zeichnet seinen Athleten auf den Zettel, dann gibt es viele Faktoren die Einfluss haben auf seine Leistung und es wird einfach jeder Faktor überprüft, an dem man arbeiten muss. Und am Ende muss einfach alles passen, eben auch mental.

 

Wie intensiv kennen Sie die Fahrer bereits und wie hat Sie das Team vorbereitet?

Natürlich haben wir uns intensiv ausgetauscht und alle Daten bekommen, die es irgendwo gab. Wir haben dann mit den Fahrern gesprochen und uns auch mit den Heimtrainern ausgetauscht. Es ging zunächst darum, die Infos zu bekommen und dann den Fahrer kennenzulernen, um sich selbst eine Meinung zu bilden. Ich sage immer, es wäre schade, wenn Infos verloren gehen, die es schon gibt. Wenn man weiß, der Fahrer ist bei diesem Training anfällig, oder man muss auf gewisse Dinge achten, ist es eben gut, wenn wir Trainer auch wissen. Denn wir haben nicht so viel Zeit, ehe die Saison losgeht. Aber auf Seiten der sportlichen Leitung gibt da eine große Offenheit uns die Infos mitgeben.

 

Wie eng ist der Kontakt, zwischen Fahrer und Trainer?

Das ist von Fahrer zu Fahrer unterschiedlich. Wenn beispielsweise Grundlagentraining ansteht, dann gibt es auch mal ein paar Tage keinen direkten Kontakt. Die Fahrer laden die Daten vom Training hoch und ich schaue es mir an. Wenn dem Fahrer oder mir etwas auffällt, dann tauschen wir uns natürlich aus. Wenn es aber ein ganz normaler Arbeitstag der Fahrer war, dann gibt es auch nicht viel zu berichten. Aber das ist individuell unterschiedlich. Es gibt Fahrer die wollen einfach mehr Kontakt, die brauchen das, und andere Fahrer denen es reicht, wenn man zwei Mal die Woche Kontakt hat.