Wer nur im Juli Radsport schaut, ist selbst schuld. Was haben wir für tolle Rennen gesehen, in diesem Frühjahr. Bei Paris-Nizza, dem E3-Harelbeke oder auch beim Giro. Großartige Unterhaltung. Als Journalist im Pressezentrum darf man die letzten zwei Rennstunden keinen Kaffee wegbringen, sonst verliert man den Überblick. Bei der Tour ist das anders. Selbst auf der kurzen, und damit für ein spannendes Rennen prädestinierten 11. Etappe. 

Die weißen Trikots vom Team Sky kontrollieren das Rennen. Sie erwürgen es, mit roher Kraft. Vielleicht hatte man es sich anders gewünscht, aber es ist nicht überraschend. Sky will die Tour gewinnen, das ist ihr großes Ziel, in jedem Jahr. Sie ordnen alles unter und verfügen über finanzielle Mittel, wie kein zweites Team. Immer wieder gibt es neue Gerüchte – vor wenigen Wochen waberten mal rund 40 Mio € Jahresetat durch die Medien. Andere Teams haben 10-15 Mio €. So kann Sky bei der Etappe nach Roubaix problemlos 40 zusätzliche Mechaniker mit Laufrädern an den Pflasterstücken verteilen. Oder einfach in Trainingslager und Ausrüstung im großen Stil investieren. Sie können so aber auch die besten Fahrer der Welt verpflichten, die bei anderen Mannschaften Kapitäne wären und bei Sky „nur“ die Helfer sind. So entsteht ein Ungleichgewicht der Teamstärken.

 

Brutale Dominanz

Auf dem Weg zum Schlussanstieg der 11. Etappe war die Favoritengruppe bereits klein geworden. Doch Sky fuhr mit sechs Fahrern an der Spitze des Feldes. Mehr Machtdemonstration geht kaum. Sieben Kilometer vor dem Ziel gehörten 11 Fahrer zur Favoritengruppe – vier davon trugen das Sky-Trikot. Man kontrollierte das Tempo, konnte so schnell fahren, dass Dumoulin nicht entscheidend weg kam und die anderen Favoriten dennoch nicht bereit waren, früh zu attackieren. Dabei konnten sich Froome und Thomas bis fünf Kilometer vor dem Ziel im Windschatten aufhalten. Erst als Michal Kwiatkowski, einer der der komplettesten Rennfahrer der Welt, am Ende seiner Kräfte war, griff Thomas an.

Sky hat das Rennen einfach schnell und hart gemacht, am Rollerberg „alles in Klump gefahren“, wie man so schön sagt, und dann am Ende attackiert und gewonnen. Eine Taktik, die nicht für großes Radsport-Entertainment sorgt, aber mit diesem Kader perfekt ist.

 

Taktisch celver

Es war insgesamt ein taktisch cleveres Rennen, das Sky auf dem Weg nach La Rosière bot. Sie kontrollierten das Rennen, ohne in Panik zu geraten und spielten am Schlussanstieg ihre Karten perfekt aus. Geraint Thomas, der Mann, der vor einigen Jahren noch Olympiasieger auf der Bahn war, ist wie gemacht für diese Rollerberge mit weniger als 8 % Steigung. Er kann einen dicken Gang lange schwungvoll in Bewegung halten. So war seine Attacke, rund fünf Kilometer vor dem Ziel, perfekt getimt. „G“ brummte gen Ziel, während der Rest Spielchen spielte. 

Quintana setzte nicht nach, weil er nur auf Froome schaute. Nicht sein letzter Fehler. Doch Froome nahm natürlich raus und schaute sich um. Als Romain Bardet attackierte, ging Froome sofort an dessen Hinterrad – wodurch dieser den Versuch abbrach. Genau so muss man es taktisch spielen, wenn man zwei starke Fahrer im Finale hat. In diesem Moment hatte Thomas nur 3 Sekunden Vorsprung. Ein paar hundert Meter später waren es mehr als 15. Froome zupfte selbst mal an, konterte dann alle Angriffe – das zahlte sich doppelt aus, denn zum einen wurde die Lücke zu Thomas immer größer, zum anderen konnte er sich selbst von Quintana, Nibali und Bardet absetzen. Denn diese belauerten sich, als Daniel Martin angriff, statt zu folgen.

Natürlich ist es einfacher, taktisch so zu agieren, wenn man dermaßen stark ist, aber Sky hat es wirklich perfekt gespielt.  

 

Aber: es kommen noch andere Berge

Ist die Tour also schon gelaufen? Nein. Es kommen noch andere Etappen und steilere Berge. Möglicherweise wird Geraint Thomas in den steilen Rampen noch Probleme bekommen und „Froomey“ ist erst dann der Sieger, wenn er in Paris über den Zielstrich rollt. Doch bleibt das Team so stark und so clever wie auf den ersten beiden Alpen-Etappen, wird es für die Konkurrenz nicht nur enorm schwer – dann ist Sky unschlagbar.