Mathias, du warst schon sechs Mal bei der Frankreich-Rundfahrt am Start, reist du unterdessen zur Tour, wie bei jedem anderen Rennen auch?
Die Tour ist schon speziell. Man ist vier Wochen weg von zu Hause, und es ist schon anders. Es ist nicht mehr so, wie bei meiner ersten Tour, aber immer noch speziell.
Euer Kapitän Romain Bardet hat gesagt, dass die Schlusswoche extrem schwer ist – einige haben vermutet, dass der Kampf um Gelb deshalb zu Beginn etwas blockiert ist. Wie ist deine Einschätzung?
Würde ich nicht erwarten. Wir haben das Mannschaftszeitfahren am zweiten Tag, was im Kampf um Gelb enorm wichtig ist. Dann gibt es bereits in den Vogesen eine richtig schwere Etappe. Da ist für die Klassemnetfahrer nichts mit Einrollen, es geht früh um sehr viel.
Chris Froome ist nicht dabei, glaubst du dennoch, dass Ineos das Rennen kontrollieren wird, wie in den Jahren zuvor?
Das erwarte ich schon. Wir haben es bei der Dauphine und der Tour de Suisse gesehen, Ineos hat einen so breiten und starken Kader, dass sie einen Ausfall kompensieren können. Wenn Froome ausfällt, steht Bernal schon in den Startlöchern und will sich natürlich beweisen.
In der Schlusswoche geht es oft über 2000 m üNN – habt ihr euch speziell vorbereitet?
Unser Team war im Höhentrainingslager, ich selbst nicht. Gerade Romain verbringt viel Zeit in der Höhe. Er hat sogar in seinem Haus in mehreren Bereichen die Möglichkeit, die Höhe zu simulieren.
Er macht also Höhentrainingslager zu Hause?
Ja, genau. Und seine Frau auch, die ist auch sehr fit (lacht). Das Team war insgesamt viel in der Höhe. Ich selbst habe aber nicht so gute Erfahrungen gemacht, deshalb war ich nicht in der Höhe. Aber bezogen auf diese Tour kann man schon sagen, dass es sicher von Vorteil ist, wenn der Körper sich an die Höhe angepasst hat.
Ist die schwere Schlusswoche auch mental eine besondere Herausforderung?
Es ist schon so, dass man in der letzten Woche keinen schlechten Tag haben darf. Denn wenn du dort einen Schwäche hast, kannst du sehr viel Zeit verlieren. So wird es natürlich auch mental besonders herausfordernd.
Teilt ihr euch deshalb auch die Kräfte der Helfer speziell ein? Darfst Du dich vielleicht zu Beginn schonen?
Ich hoffe schon, dass es so sein wird. Ich habe in den Bergen einfach mehr Qualitäten und es kann schon sein, dass man mich zu Beginn im TV auch mal an letzter Position sieht. Aus meiner Sicht ist es schon ein Unsinn bei der Tour, dass da so ein Stress ist. Auch deshalb gibt es viele Stürze.
Weil alle vorn fahren wollen und das nunmal nicht geht?
Alle bekommen die gleiche Ansage: Seid vorne, fahrt vorne. Passt auf. Die Tour ist so enorm wichtig, die Erwartungshaltung ist enorm, da gehört der Stress einfach dazu, auch wenn er nicht immer nötig ist.
Erwartest du, dass es hier in Belgien besonders krass wird?
Ich kann mich gut an den Tourstart in Harrogate erinnern. Da waren so viele Leute an der Strecke, man musste enorm aufpassen musste. Der Lärmpegel, das ganze Drumherum, das hat so viel mehr Stress reingebracht. Ich fand das sehr eindrucksvoll, wie viel Extra-Stress durch die Masse der Zuschauer dazu kam. Das erwarte ich auch. Wenn dann noch Wind dazu kommt, wird das sicher kein Zuckerschlecken.
Wie muss die Tour laufen, dass du in Paris zufrieden bist?
Also in Paris ankommen wäre schon gut. Meine Bilanz ist bislang nicht so gut, ich konnte nur drei der sechs Tours beenden. Diese Bilanz will ich auf jeden Fall ändern und Paris ist schon Mal ein Ziel. Es wäre schön, wenn es Romain wieder aufs Podium schafft und ich selbst bei einer Etappe um den Sieg mitfahren kann. Wenn das gelänge, wäre ich sehr zufrieden. Wenn ich sogar eine Etappe gewinnen könnte, wäre das ein Traum.