Geraint Thomas

 

Thomas ist stärker als gedacht

Nach seinem Toursieg 2018 hatte Geraint Thomas ausgiebig gefeiert. Er hatte seine Saison früh beendet und den Erfolg genossen. Hieß es. Es tauchten Fotos auf, die ihn im Winter mit Pölsterchen zeigten und bis in den April waren seine Auftritt eher „medium“.  Bei der Tour de Suisse machte Thomas optisch einen fitten Eindruck, doch er stürzte und musste das Rennen früh aufgeben. So kam er mit knapp mehr als 20 Renntagen in diesem Jahr zur Tour und nicht wenige waren skeptisch, ob Thomas überhaupt zu den Favoriten zu zählen ist.

Doch er machte vom Start in Brüssel an den Eindruck, als sei er der „G“ aus dem vergangenen Jahr. Er wirkt jeden Tag schlanker, ist sehr aufmerksam im Rennen und scheint locker. Nach der Bergankunft vom Donnerstag haben wir Gewissheit: G ist in der Form um den Toursieg mitzufahren. Er ist stärker als viele erwartet hatten und nun wird er zudem reichlich Selbstbewusstsein getankt haben. G zählt nun definitiv zum Kreis der Top-Favoriten.

 

Nairo bleibt sich treu

Das Movistar-Team übernahm im Finale der 6. Etappe früh die Verantwortung für das Rennen. Man erhöhte das Tempo und machte das Rennen im Finale schwer. Spätestens als Alejandro Valverde im Schlussanstieg an die Spitze ging, keimte die Hoffnung auf, Nairo Quintana könnte mit einer Attacke das Rennen explodieren lassen. Doch der Kolumbianer blieb sich treu. Er verzog keine Mine und bleib am Hinterrad der Konkurrenz. Keine Attacke. Wie immer. Dann musste eben Landa angreifen. Am Ende verloren Quintana und Landa Zeit auf Thomas und Pinot. Ob es die richtige Taktik war, weiß nur Quintana. Es war auf jeden Fall die übliche Taktik des Kolumbianers.

 

Bardet und Nibali nicht in der Lage, anzugreifen

Romain Bardet und Vincenzo Nibali waren die großen Verlierer der ersten Bergankunft dieser 106. Tour de France. Zumindest was den kleinen Kreis der Favoriten auf den Gesamtsieg betrifft. Bei beiden war es absehbar. Bardet war beim Criterium du Dauphine noch weit weg von der Weltspitze und scheint auch in der Zwischenzeit keinen riesigen Formsprung gemacht zu haben. Doch man darf nicht außer Acht lassen, dass Bardet im Finale der sechsten Etappe mit mechanischen Problemen zu kämpfen hatte. Ist Bardet in diesem Jahr einfach nicht konkurrenzfähig, oder hat er seinen Formaufbau schlicht für die dritte Woche geplant? Das wird die Zeit zeigen. Doch mit aktuell bereits mehr als zwei Minuten Rückstand auf Geraint Thomas, muss die Form in der Dritten Woche schon außerirdisch sein, will er am Ende in Gelb nach Paris fahren.

Bei Vincenzo Nibali sieht die Sache anders aus. Seine Leistung bei solch extrem steilen Rampen sollte man nicht überbewerten. Der Italiener hatte schon in der Vergangenheit Probleme an solchen Anstiegen. Nur eben dann nicht, wenn er in absoluter Top-Form war. Doch Nibali hat den Giro in den Knochen, ist seither nur zwei Eintagesrennen gefahren und muss mit den Kräften sicher haushalten. Dennoch scheint es aktuell nicht so, als sei der „Hai von Messina“ in der Lage, bei dieser Tour um den Gesamtsieg mitzufahren. 

 

Buchmann beeindruckt

Wer Emanuel Buchmann in den ersten Tagen dieser Tour gesprochen hat, dem ist seine Lockerheit nicht entgangen. Buchmann ist selbstbewusst, hungrig und offenbar entspannt in diese Tour de France gestartet. Er scherzte am Rande der Pressekonferenz, er genoss es, dass sich die deutschen Medien um Maximilian Schachmann drängten, während er einen halben Meter daneben in Ruhe ausrollen konnte. Selbst der unglückliche Sturz auf der ersten Etappe konnte ihn nicht aus der Bahn werfen. Nun beeindruckte Buchmann neben seiner Lockerheit auch mit seiner Leistung. Am Hinterrad von Nairo Quintana rollte er am Donnerstag über die Ziellinie. Buchmann scheint Form und Rennen zu genießen. Kommt er gut und gesund durch diese Tour, wird er den deutschen Radsportfans in den nächsten zwei Wochen noch viel Freude bereiten. Sein Ziel Top-10 in Paris ist dann ebenfalls möglich. Das wäre krass.

 

Verzockt – Alaphilippe muss Gelb abgeben

Die Leistung von Julian Alaphilippe im steilen Schlussanstieg war beeindruckend. Im Gelben Trikot kämpfte er um jede Sekunde, hängte dabei eine ganze Reihe der Klassementfahrer ab und hätte sogar vor Thomas im Ziel sein können, wenn er seine Attacke etwas besser getimt hätte. Dass er das Gelbe Trikot nun leider doch abgeben muss lag aber nicht am etwas zu frühen Antritt auf dem letzten Kilometer, sondern dem missglückten Pokerspiel seines Teams. Denn man ließ die Ausreißergruppe auf den ersten 40 Kilometern der Etappe unnötig weit wegfahren. Satte acht Minuten gewährte man den Ausreißern und das waren am Ende ein paar Sekunden zu viel. Gut möglich, dass man darauf spekuliert hatte, dass die Movistar-Mannschaft früher in die Tempoarbeit einsteigen würde, oder das Ineos-Team das Tempo übernehmen würde – doch egal was der Plan war, es klappte nicht. Sechs Sekunden fehlen Alaphilippe. Gut möglich, dass er es sich in den nächsten Tagen wieder zurückholt. Denn so stark wie er bislang fährt, könnte er es dann eine ganze Weile tragen. Wenn die Taktik stimmt.

 

Fuglsang dabei

Direkt hinter Emanuel Buchmann rollte Jakob Fuglsang über die Ziellinie. Es gab eine kleine Lücke, deshalb wurde er mit einem Rückstand gewertet. Doch Fuglsang zeigte eine starke Leistung, an diesem megasteilen Anstieg. Vor allem wenn man bedenkt, dass er locker 5-6 Kg mehr wiegt, als Buchmann! Es schien sogar so, als hielte sich Fuglsang im unteren Teil des Anstiegs zurück. Gut möglich, dass der Däne bewusst nicht ans Limit ging. Er ist ein sehr starkes Frühjahr gefahren, gewann beim Criterium du Dauphine und will nun endlich bei der Tour über drei Wochen konstant auf sehr hohem Niveau fahren. Da gilt es, sich die Kräfte einzuteilen. Fuglsang zählt nach dieser ersten Bergetappe weiter zum Kreis der Favoriten, liegt keine halbe Minute in der Gesamtwertung hinter Thomas. Auch die Konkurrenz sollte diesen 34-Jährigen Routinier auf jeden Fall im Auge behalten.