Die über weite Strecke ruhige Fahrweise am Mittwoch hat vor allem den gestürzten und angeschlagenen Fahrern gut getan. Auch die erste Hälfte der sechsten Etappe hat kaum topografische Schwierigkeiten. Aber das Finale der Etappe hat es in sich. Wer im Gesamtklassement eine Rolle spielen möchte, darf sich hier keine Schwäche erlauben. Der Col de la Lusette ist ein fieser, echt steiler Berg. Nicht zu vergleichen mit dem finalen Anstieg am Dienstag.
Das Etappenziel ist nicht am Gipfel des Lusette, sondern einige Kilometer weiter am Mont Aigoual. Das macht es für die Klassementfahrer aber nicht einfacher, sondern gefährlicher. Denn ganz sicher wird das Tempo nach dem Lusette hoch bleiben und wer bereits angehängt ist, braucht starke Unterstützung, um am Ende nicht richtig viel Zeit zu verlieren. Gut möglich, dass wir eines der packendsten Etappenfinales dieser Tour erleben. Denn es ist kaum vorstellbar, dass keiner der Favoriten seine Chance suchen wird.
Die Strecke
Die ersten Kilometer nach dem Start geht es flach gen Nordwesten, anschließend viele Kilometer gen Südwesten. Es ist minimal wellig und bis zum Zwischensprint bei Rennkilometer 125 eine echte Flachetappe. Der erste Anstieg des Tages folgt 45 Kilometer vor dem Ziel. Eher ein Hügel, verglichen mit dem, was noch kommt. Auch der Col des Mourèzes ist kein Monster. Gleichmäßig und nicht sonderlich steil.
Doch dann folgt das Finale, das hat es in sich!
Der Anstieg zum Col de la Lusette ist ein übles Ding. Die 7,3% im Durchschnitt auf 11,7 Kilometern täuschen etwas. Es ist ein unregelmäßiger Anstieg mit einigen Passagen weit über 10%. Im unteren Teil noch moderat, geht es im Mittelteil für einige Kilometer steil bergan. Oben wird es dann wieder flacher. Am Gipfel winkt der Bonussprint, dann sind es noch 13 km bis ins Ziel.
Im Juli ist Romain Bardet den Anstieg mal mit Zug hochgefahren. Fast 40 Minuten brauchte er, bei 17,8 km/h im Schnitt. Die vielen Steigungsänderungen und Kehren sind bei Strava gut ablesbar. Übrigens, das Krönchen für den Strava-Abschnitt des kompletten Finales hat Remi Cavagna. Er wird es wohl heute abgeben müssen.
Nach dem Lusette geht es kurz und schnell bergab. Dann geht es wieder bergauf. Hier wieder zurückzukommen, wenn man einmal angehängt war, dürfte extrem schwer werden. Vor allem dann, wenn vorn noch hart Tempo gefahren wird, vom Gelben Express. Die Steigung zum Ziel ist nicht mehr so schwer, am Ende sind es kurz vor dem Ziel aber noch einmal fast 6%.
Die Favoriten
Nach der Bummeletappe vom Mittwoch ist das Feld ausgeruht und voller Tatendrang. Dazu das lange Flachstück zu Beginn. Es ist ein Tag, an dem Ausreißer durchaus eine Chance auf den Etappensieg haben. Sollte tatsächlich ein Ausreißer jubeln, hat dieser ganz sicher Kletterqualitäten. Da kann man eine ganze Reihe von Namen nennen. Benoot, Herrada, Elissonde, Roche, Zakarin, Polanc, Edet, Vuillermoz, Rosa, Cataldo, De Marchi, Geschke, Gogl, …
Im Kampf um Gelb wird es ein spannendes Finale. Wird Jumbo-Visma diesen fiesen Lusette-Anstieg mit aller Power hochfahren, um dann nach der Bergwertung mit Sepp Kuss und Tom Dumoulin den dort Abgehängten richtig viel Zeit aufzubrummen? Oder ist es diesmal Ineos, die angreifen? Dass ein Fahrer allein am Lusette wegstiefelt und sich dann bis ins Ziel vorn behauptet, ist eher nicht zu erwarten. Dafür ist Jumbo-Visma zu stark, als Team. Die Konkurrenz von Roglic wird vielleicht eher nicht auf Angriff fahren, sondern vor allem zusehen, dass sie am Lusette am „Gelben Berg-Zug“ dranbleiben. Denn wer dort abreißen lässt, kann am Ende schnell mehr als eineinhalb Minuten verlieren, wenn Dumoulin und Kuss auf den letzten Kilometern für Roglic Vollgas von vorn fahren.
***** –
**** Primoz Roglic, Guillaume Martin
*** Tadej Pogacar, Julian Alaphilippe
** Superman Lopez, Egan Bernal
* Nairo Quintana, Thibaut Pinot, Romain Bardet
Start: 12:00 Uhr
Ziel: ~17:00 Uhr
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Die Analyse der 5. Etappe mit Bora-hansgrohe-Profi Andreas Schillinger
Über Sprinter, Bergfahrer, Crosser und das „Wunder von Emu“ (Die Analyse gibts täglich 20 min nach Zieleinlauf bei Instagram)