Unterhält man sich mit Matej Mohorič, gewinnt man schnell den Eindruck, dass es sich um einen cleveren, radsportverrückten jungen Mann handeln muss. Er sagt auch in Pressekonferenzen nicht nur kluge Sachen, sondern hat dabei eine freundliche Art, dass man gern zuhört und noch weiter nachfragt. So dauern PKs mit ihm auch gern mal ein paar Minuten länger.

Matej Mohorič ist talentiert, aber auch ein sehr fleißiger Arbeiter. Bekannt wurde Mohorič früh wegen seiner Abfahrtskünste. Er galt als Erfinder der Supertuck Position, die nun verboten ist. Er hat den Radsport damals verändert, als er pedalierend auf dem Oberrohr saß. Nun hat er es wohl wieder getan.

„Eigentlich habe ich den ganzen Winter über an dieses Rennen gedacht. Das Team kam auf die Idee, eine absenkbare Sattelstütze zu verwenden, weil dieses Rennen sehr gut zu mir passt und es am Ende eine Abfahrt gibt“, sagte Mohorič nach dem Rennen. „Das Team hat mir ein Fahrrad aufgebaut und hatte diesen Plan schon lange. Zuerst hätte ich nicht gedacht, dass es bei den Abfahrten einen großen Unterschied machen würde, aber dann habe ich es im Training ausprobiert und war beim ersten Mal erstaunt“.

Nächstes Jahr werden es alle haben“ , sagte der Slowene bezogen auf seine versenkbare Sattelstütze. Gut möglich, denn auch in anderen Teams gab es bereits Gespräche darüber, solche einzusetzen. Übrigens, Vincenzo Nibali hat bereits vor Jahren eine höhenverstellbare Sattelstütze benutzt (infos dazu hier). Mohorič hatte sich einen einen kleinen Vorteil verschafft, der wohl bei wenigen anderen Fahrern solch Wirkung entfachen kann. Er sah in der Abfahrt seine Chance und setzte alles darauf – auch technisch. In der Pressekonferenz berichtete er mit spitzbübischem Charme, wie er die Sattelstütze im Rennen den anderen vorgeführt habe. Man wäre gern dabei gewesen.


Mohorič fuhr im Finale extrem schlau. Er legte in der Verfolgergruppe vor der scharfen Linkskurve in die Abfahrt vom Poggio einen Sprint hin, um direkt nach dem 3 Sekunden entwischten Quartett als erster Verfolger in die Abfahrt gehen zu können. Dann machte er das, was er sich vorgenommen hatte – und was wohl nur ganz, ganz wenige andere Radsportprofis können – er hackte den Poggio hinab, dass man eine Einblendung „bitte nicht nachmachen“ mit einem zustimmenden Nicken als sinnvolle Information empfunden hätte.

Nachdem er die Gruppe mit Van der Poel, Van Aert, Kragh Andersen und Pogacar eingeholt hatte, ging er direkt vorbei und eskalierte. „Ich bin aus jeder Kurve voll rausgesprintet. Vielleicht sogar ein bisschen zu viel„, berichtete Mohorič und hatte am Ende sogar Sorge, er könne noch eingeholt werden, weil er seine Kräfte nicht besser dosierte. Er hob und senkte die Sattelstützte mehrfach in der Abfahrt, um optimalen Vortrieb zu haben. Er zog dann durch bis zum Ziel. Über Tempohärte und Power verfügt der Slowene bekanntermaßen, holte so bei einigen großen Rennen Etappensiege – auch bei der Tour.


Matej Mohorič ist ein begnadeter Abfahrer, der mit der 6 cm absenkbaren Sattelstützte (mehr hätte laut seiner Aussage das Treten zu ineffizient werden lassen) seinem Vorteil gegenüber der Konkurrenz einen Boost gab. Er sagt von sich selbst, dass er die Fähigkeit hat zu spüren, wenn das Rad zu rutschen beginnt und er es dann aussteuern kann. Seine Furchtlosigkeit ist nicht minder beeindruckend.

Bei diesem Sanremo kam so viel für ihn zusammen – das dezimierte Feld, die sich anschauenden Favoriten, die Sattelstütze, seine Abfahrtsfähigkeit, die Motorräder, die Tatsache, dass ausgerechnet Pogacar in der Gruppe ganz von war, als er von hinten vorbei ging ….

Diese 113. Austragung von Mailand-Sanremo hat der Geschichte des Rennens ein weiteres Kapitel hinzugefügt und den Mythos bestärkt. Mailand-Sanremo ist das leichteste Monument, aber superschwer zu gewinnen. Denn meist gewinnt nicht der stärkste Fahrer. So wie in diesem Jahr – furchtlos und schlau fuhr Matej Mohorič zum Sieg.