Jonas Vingegaard

Zur Müdigkeit kommt nach zwei Wochen Tour de France jetzt auch noch die Hitze. Ein weiterer Faktor, der die Leistung der Fahrer extrem beeinflusst. Die Organisatoren der Tour de France versuchen, es den Fahrern erträglicher zu machen, indem sie die Straße mit Kalkwasser besprühen, die Regeln für das Anreichen und Wegwerfen von Flaschen gelockert wurden und die Kontrollzeiten verlängert wurde. Doch Leistung müssen die Fahrer auch in der Gluthitze bringen. Und manch einer wird da „gecooked“.

„Die Fahrer müssen bei einem Rennen hohe Leistungen erzeugen, aber der Körper findet mit der Hitze ein Umfeld vor, das leistungsfeindlich ist. Wir wissen, wenn die Körpertemperatur steigt, dann kommt es zu einer Reduzierung der Leistung. Teilweise, oder fast vorwiegend gesteuert vom Gehirn. Das Gehirn sagt den anderen Organen und Muskeln: ‚Ich stehe kurz vor einer Überhitzung, ihr müsst eure Arbeit beziehungsweise eure Leistung drosseln. Ansonsten kippe ich halt um‘ – vereinfacht ausgedrückt“, erklärt Dan Lorang, Head of Perfomance beim WorldTour-Team Bora-hansgrohe, den Einfluss von Hitze auf die sportliche Leistung. 

Schwerer Fahrer = schneller überhitzen?

Aber nicht jeder Rennfahrer reagiert auf Hitze gleichermaßen. „Es gibt einfach Fahrer, die temperaturfühliger sind und Hitze nicht so gut tolerieren können; die dann aber sehr gut bei kühlen oder kalten Bedingungen ihre Leistung voll abrufen können“, so Dan Lorang weiter. Auch spielen Gewicht und Muskelmasse bei der Gefahr der Überhitzung eine nicht unwesentliche Rolle. Schwere und muskulösere Fahrer, bei denen das Verhältnis von Körperoberfläche und Masse geringer ist als bei leichten Athleten, können schneller überhitzen, da sie aufgrund der vermehrten Muskelarbeit mehr Wärme abgeben müssen.

Es reicht letztendlich schon der Anstieg der Körperkerntemperatur von nur 0,5 Grad aus, um die negativen Folgen zu spüren. Das Problem: Der Organismus benötigt zusätzliches Blutvolumen für die Körperkühlung über die Haut. Dies setzt eine physiologische Kettenreaktion in Gang, an deren Ende eine verminderte Leistung steht.

„Das Herz-Kreislauf-System hat bei der Hitze aufgrund der Kühlung deutlich mehr zu tun, als bei Kälte, da es noch zusätzlich auf die Kühlung reagiert. Dadurch werden letztendlich auch geringere Leistungswerte erzielt beziehungsweise die Abschnitte mit den hohen Wattwerten werden etwas weniger lang sein“, so Lorang.

Abkühlung – auch Wasser von den Fans ist willkommen

Eine Frage der Gewöhnung?

„Ob der Athlet jetzt selbst bei starker Hitze seine Trainingseinheiten absolviert, oder aber nach der klassischen Trainingseinheit in dicke Klamotte eingepackt noch eine halbe bis eine Stunde auf der Rolle weiter die Körpertemperatur hoch hält – da gibt es ganz unterschiedliche Adaptionsmöglichkeiten“, sagt Lorang.

„Wenn ein Sportler solch ein Training über zwei Wochen 3x pro Woche absolviert, erzeugt er eine gewisse Anpassung an die klimatischen Bedingungen. Das ist das A und O“, so Lorang. Der Luxemburger Sportwissenschaftler sieht sogar momentan einen Nutzen in den wärmeren Temperaturen – allerdings nur während des Trainings. „Training bei extremer Hitze ist auch ein bisschen vergleichbar mit Training in der Höhe. Es ist ein zusätzlicher Reiz. Allerdings sollte das Training dann den Bedingungen angepasst und beispielsweise die zu erzielenden Leistungswerte nach unten korrigiert und die Fahrer dafür sensibilisiert werden, auf Flüssigkeits- und Natriumzufuhr zu achten.“

System Abhärtung funktioniert also bei Wärme nicht

Auch wenn Hitze ein Reiz ist, muss doch ganz vorsichtig damit umgegangen werden“, weiß Lorang. Denn ein Zuviel an Hitze kann zu langfristigen Schäden führen. Ist der Athlet einmal über den Punkt, kann es sein, dass er in Zukunft schon bei geringer warmen Temperaturen Leistungseinbußen hinnehmen muss. Das Gehirn schützt sozusagen den Organismus präventiv vor einem Überhitzen – und will nicht wieder in diese doch lebensbedrohliche Lage kommen – und regelt früher herunter“, erklärt Lorang. Das System Abhärtung funktioniert also bei Wärme nicht.

Kühlen bringt Leistung

Direkt vor, und im Rennen selbst werden Fahrer und Betreuer darauf achten, die Körperkerntemperatur so gut wie möglich stabil zu halten beziehungsweise herunterzukühlen. Das geschieht über den Aufenthalt in klimatisierten Räumen wie Hotelzimmern oder dem Bus. „Im Rennen selbst wird primär von außen mit Eis und kaltem Wasser gekühlt. Über die Abkühlung des Blutes soll so die Körperkerntemperatur gesenkt werden. Das gekühlte Blut fließt im Endeffekt durch den gesamten Kreislauf“, erklärt Lorang.  

Neben gekühlten Getränken sollen Eiswürfel, die in Nylonstrümpfe gefüllt in den Nacken gelegt werden oder unters Trikot gepackt werden, für Coolness sorgen. Viele Fahrer schütten sich das Wasser über den Kopf. „Was eigentlich besser hilft, ist Arme und den Körper selbst zu kühlen, da das cleverer für die Blutzirkulation ist“, so Lorang.

Den besten akuten Effekt auf die Körperkerntemperatur haben gekühlte Getränke oder sogar ganz spezielles Slush-Eis. In der Theorie funktioniert die Kühlung von innen natürlich, aber in der Praxis kann der Magen-Darm-Trakt damit überfordert sein. Auch die in Eiswasser getränkten Kühlwesten, die die Fahrer oft vor Rennstart beim Warmfahren auf der Rolle tragen, sind nicht jedermanns Sache. Aber Möglichkeiten gibt es einige. 

In der Hitze des Gefechts cool zu bleiben – nicht nur psychologisch, sondern auch physiologisch wohl eine der wichtigsten Faktoren bei den hitzigen Etappen in der Schlusswoche dieser Tour.