Der Radsport zählt gewiss zu den fotogensten Sportarten überhaupt – einerseits Radprofis, die Belastungsgrenzen ausloten, andererseits prächtige Kulissen von urban bis alpin. Kein Wunder, dass der Radsport schon immer Fotografen fasziniert hat. Während bei den einen die sportlichen Protagonisten im Fokus standen (bei Hennes Roth zum Beispiel), interessierten sich andere von Robert Capa bis Andreas Gursky für Land und Leute abseits des Renngeschehens.
Der Fotograf Herman Seidl hat beides im Blick. In 30 Jahren hat er beruflich 25 Mal die Tour de France begleitet. Er hat Glückliche und Geschlagene im Sattel porträtiert, aber auch das Abseitige und Skurrile jenseits der Ziellinie festgehalten.
Sein Buch „Warten auf Godeau“ (Dumont) versammelt auf 176 Seiten 78 farbige Abbildungen verschiedener Frankreich-Rundfahrten. Das Besondere: Auf keinem Fotos sind Sportler zu sehen. Stattdessen sind es die Menschen, die an der Strecke auf das herannahende Peloton warten. Radsportenthusiasten aus dem Baskenland ebenso wie beleibte Kellner oder sonnenbebrillte Familien mit Sponsorenmützchen. Es gibt zahlreiche spannende Einblicke in die Seele gerade des ländlichen Frankreichs. Aber man taucht auch ein in die Welt von Tour-Fans, die sich selber zu den Gipfeln aufgemacht haben. Einige Zeitreisen führen sogar zu Bildern, in denen Menschen am Streckenrand noch keine Mobiltelefone in Händen hielten.
Dabei wechselt Herman Seidl die Perspektive. Mal sind die Fotos aus Sicht der Fahrer gemacht, mal aus der Vogelperspektive, mal aus dem Blickwinkel der Wartenden. Immer im Versuch, das Radsportfieber, das Frankreich im Juli befällt, festzuhalten.
„Warten auf Godeau“ spricht all die an, die selber schon einmal bei der Tour de France auf Roger Godeau oder Simon Geschke gewartet haben, sich von überdimensionalen Enten und Löwen der Werbekarawane anhupen ließen oder mit Fans aus England, Spanien oder Norwegen darüber ausgetauscht haben, welches belgische Bier eigentlich am leckersten ist und warum sich das Warten auf Simon Geschke sowieso immer lohnt.
Herman Seid, geboren 1960 in Neumarkt/Steiermark, Österreich, ist seit 1985 freischaffender Fotograf und Künstler und arbeitet für diverse Tageszeitungen, Magazine und Fotoagenturen. Er lebt in Salzburg. Seine erste Tour de France besuchte er 1987.
Infos und Shop (20€): hier.