Der Name „Sente Sentjens“ wird wohl noch wenigen ein Begriff sein, doch vermutlich haben den Belgier einige schon wahrgenommen. Bei der Rad-WM in Glasgow ließ sich Sentjens inmitten des Rennens Werkzeug aus dem Auto geben und schraubte bei voller Fahrt an seinem Vorderrad herum. Der Clip der Aktion machte natürlich die Runde. Neben dieser Episode, die einiges Geschick auf dem Rad bewies, ist Sentjens aber vor allem als Riesentalent auf selbigem bekanntgeworden. In seiner Zeit als Junior reifte er zum Seriensieger. Er stammt aus einer der größten Talentschmieden Belgiens – Acrog-Tormans BC – und macht in diesem Jahr den Schritt ins Alpecin-Deceuninck Development Team.


Seine Zeit als Junior eröffnete Sentjens 2022 mit einem großen Knall: Er gewann das Prestigeträchtige Kuurne-Brüssel-Kuurne im Solo und zeigte damit sofort auf, auf welchem Terrain seine Stärken liegen. Als relativ schwerer und kraftvoller Fahrer liegen ihm die Straßen Flanderns. Nach einem weiteren Sieg in Belgien, folgten entsprechend bei Gent-Wevelgem wie auch bei Paris-Roubaix Top 15 Ergebnisse.

Bei der schweren Gipuzkoa Klasikoa konnte er den Abstand auf die Kletterspezialisten begrenzen und belegte einen für seinen Fahrertyp starken elften Platz im Gesamtklassement der Rundfahrt. Wieder in Belgien reichte es beim E3 Saxo Classic zum Vierten Platz, wobei er den Feldsprint hinter den drei führenden Fahrern gewinnen konnte. Über den Sommer holte er zahlreiche weitere Top-Platzierungen: Top 10 bei den Belgischen Meisterschaften im Zeitfahren & Straße sowie der Junioren Rundfahrt, knapp außerhalb der Top 10 bei Rundfahrten wie der Tophée Morbihan oder Vuelta al Besaya. Dazu zahlreiche weitere Platzierungen in Zeitfahren sowie Sprintankünften. Einzig Siege gelangen ihm später im Jahr keine mehr.

Dies sollte sich 2023 jedoch recht schnell ändern. Sentjens startete wieder mit den Klassikern ins Jahr und konnte nach einer verpassten Titelverteidigung in Kuurne Sechster beim Nokere Koerse werden. Beim ebenfalls auf Klassikerterrain ausgefahrenen Guido Reybrouck Classic gewann er das Auftaktzeitfahren und wurde letztlich Vierter im Gesamtklassement. Gent-Wevelgem beendete er als Dritter auf dem Podium, bevor er rund einen Monat später beim E3 Saxo Classic wieder einen großen Sieg feiern konnte. Er gewann das Rennen im Sprint aus einem reduzierten Peloton. Bei den Belgischen Zeitfahrmeisterschaften wurde er im Anschluss Fünfter und zeigte dann bei Lüttich-Bastogne-Lüttich auf Juniorniveau seine Vielseitigkeit. Er wurde neunter in einem Rennen das eigentlich viel zu schwer für ihn sein sollte.

Was folgte war wohl sein bestes Rennen der Saison. Bei der Tour de Gironde gewann er das Auftaktzeitfahren, die zweite Etappe und wurde auf der flachen Abschlussetappe Zweiter im Massensprint. Er gewann die Rundfahrt souverän. Und auch die anschließende Tropée Morbihan konnte er mit einem Zeitfahrsieg verlassen. Kraftvoll, endschnell und tempohart – eine erfolgversprechende Kombination.

Bei der Belgischen Straßenmeisterschaft gewann er den Sprint des Feldes, wurde aber aufgrund einer Spitzengruppe undankbarer Vierter.
Bei der Weltmeisterschaft in Glasgow fuhr Sentjens sowohl im Straßenrennen als auch im Zeitfahren in die Top 20. Insbesondere im Straßenrennen ist sein vierzehnter Platz bei der schweren Strecke stark einzuschätzen, während das Zeitfahren eher enttäuschend verlief. Ein weiteres Highlight stellt sein Auftritt bei der Vuelta del Duero dar. Dort konnte er mit guten Platzierungen auf schwerem Terrain seinen Rückstand auf die Kletterer und Puncheure so weit begrenzen, dass ein Sieg im Teamzeitfahren ihm den Gesamtsieg sicherte. Beim tellerflachen Zeitfahren der Europameisterschaft spielte Sentjens zum Ende der Saison seine Kraft noch einmal aus und konnte sich mit einem guten Auftritt die Bronzemedaille sichern.

Mit seiner Entscheidung für das Alpecin-Deceunick Development Programm hat Sente Sentjens für seine Zukunft wohl eine gute Wahl getroffen. Er bleibt in einem belgischen Umfeld und fährt in einem Team, das seinen Hauptfokus genau auf die Attribute legt, die ihn auch als Fahrertypen ausmachen. Sentjens ist ein sehr kraftvoller Fahrer, der sich wohl in Zukunft zu einem Sprinter entwickeln dürfte. Oder zumindest in einen sehr endschnellen Allrounder. Schon bei den Junioren konnte man sehen, wie er aus dezimierten Feldern mit seiner Power Sprints dominierte. Die klassischen Rennen in Flandern sind ihm ebenfalls auf den Leib geschneidert und obwohl er sich unter den Junioren dank seines großen Motors auch bergauf noch gut verteidigen konnte, dürfte es damit in Zukunft wohl vorbei sein.

Spannend wird es ebenfalls sein, ob er weiterhin dem Zeitfahren einen Fokus einräumen wird. Als Fahrer mit diesen Attributen bietet ihm sein neues Team ideale Voraussetzungen. Der Rennkalender kombiniert internationale UCI und nationale belgische Rennen und ermöglicht viel Flexibilität. Gerade als Sprinter ist Sentjens ein Riesentalent und mit seiner Power wäre es nicht überraschend, würde er sich in die Riege der jungen Sprinter einreihen die relativ schnell auch bei gestandenen Profis mithalten können.