Auf der Schlussetappe der Burgos-Rundfahrt trugen einige Fahrer im Feld gelbe Schleifen, wie die Kapitäne einer Fußballmannschaft. Das sollte aber nicht die Road-Captains zeigen oder jene Fahrer markieren, die mit den Kommissären diskutieren oder sich austauschen können, sondern jene, die über eine Funkverbindung mit ihren Sportlichen Leitern verfügen. Denn das Etappenrennen im Norden Spaniens war ein Testevent. Es wurden die vorgeschlagenen Neuerungen und Maßnahmen des „SafeR Case Management Committee“, einer Interessensgemeinschaft aus Analysten, Fahrern, Teamvertreter sowie Rennorganisatoren getestet, die den Radsport sicherer machen sollen.
Am ersten Tag wurde ohne Funk gefahren, am letzten Tag durften nur zwei Fahrer pro Team einen Funkempfänger tragen. „Es ist sportlich interessant, aber nicht der Game Changer. Zumindest probieren sie etwas aus“, sagte Patrick Gamper von Red Bull Bora – hansgrohe, der am Freitag einer von den wenigen Fahrern im Feld war, die ein Radio zugeteilt bekamen. Einen großen Unterschied machte dies für ihn nicht, aber der Österreicher fand sich auch in der Spitzengruppe des Tages wieder, welche am Ende knapp vor der Ziellinie noch gestellt wurde.
„Tendenziell bedeutet kein Funk weniger Stress im Feld, aber es war auch schwer zu sagen, ob es etwas geändert hätte mit oder ohne Funk ausgestattet zu sein“, meinte der Österreicher. Schon in den letzten Jahren werden die Weltmeisterschaften als auch die Olympischen Spiele ohne Funkverbindung zwischen den Fahrern und ihren Sportlichen Leitern gefahren werden, was durchaus für sehr attraktive Rennen sorgte.
Etapa 5 | #VueltaBurgos
— Vuelta a Burgos (@VueltaBurgos) August 9, 2024
🏁 53 Km a Meta
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Eine weitere Idee von SafeR war, wie im Übrigen schon bei der Tour de France umgesetzt, eine frühere Sturzlinie als drei Kilometer vor dem Ziel, um zu vermeiden, dass zu viele Gesamtwertungsfahrer mit ihren Teams auf den letzten Kilometern vorne im Feld mitmischen, neben den Sprintzügen. „Das macht aber keinen Unterschied, weil alle trotzdem noch voll reinhalten, falls ein Loch aufgeht. Konsequent müssten sie auch die Zeiten für die Gesamtwertung fünf vor dem Ziel nehmen“, erklärte Gamper.
Dieser ortet aber noch eine weitere Problemstelle ein, eigentlich ein Hilfetool für die Planung der Rennen und Etappen. „Es ist eine Idee bei uns im Team, dass der Veloviewer nicht mehr verwendet wird von allen. Aber das wird man wohl nicht machen“, so Gamper. Ähnlich wie bei Google-Maps können dort alle Straßen und Passagen virtuell durchfahren werden, markante Punkte notiert werden und dann beim Teammeeting vorgestellt werden. Alle Etappen sind detailliert aufbereitet und auch die meisten via Streetview einsehbar. Nachdem das Programm auch in Echtzeit mitläuft, können die Sportlichen Leiter ihre Fahrer auch immer in Echtzeit im Rennen nochmals auf enge Kurven oder Fahrtrichtungswechsel hinweisen.
Dies führt im Peloton dann zusätzlich für Stress. „Damit sprinten alle auf jede kleine Kurve hin“, erklärte Gamper, der dies nicht nur bei den ganz großen Rennen wie bei der Tour beobachtet. „Kleine Rennen gibt es in diesem Fall ja keine mehr, jeder einzelne Tag im Rennjahr wird mit dem Veloviewer zerlegt“, fügte er an. Der Österreicher könnte sich vorstellen, dass die Organisatoren in Zukunft erst die genaue Routenführung mit dem Roadbook beim Teammanager-Meeting veröffentlichen. Aktuell hat die detaillierte Vorbereitung der Etappen im modernen Radsport eine große Bedeutung. Während vor einigen Jahren noch Erfahrung und erworbene Streckenkenntnis eine große Rolle spielten – vor allem bei den Klassikern – wird dieser Vorteil nun durch Tools wie Velowiever eingeschränkt.
Die Einflussnahme der Sportlichen Leitung im Rennen via Funk kann auf der einen Seite zur Sicherheit beitragen. So lassen sich plötzlich auftretende Gefahrenstellen an die Fahrer weitergeben – Extremwetter, Straßenschäden, Blockaden von Demonstrationen … der Radsport erlebt immer wieder Einflüsse von außen. Auf der anderen Seite trägt der Funk dazu bei, dass es im Feld eng und stressig wird. Vor Schlüsselstellen bekommen mehr als 150 Fahrer via Funk gesagt, dass sie unbedingt in den ersten 30 Positionen fahren sollen. Die Folgen davon sind bei vielen Positionskämpfen ablesbar. „Es war viel besser ohne Funk. Die Fahrer waren alle mehr auf das Rennen konzentriert, weniger durch den Funk abgelenkt“, sagte ein anderer Profi nach der Burgos-Rundfahrt gegenüber CyclingMagazine.
Auch bei der Polen-Rundfahrt wird in den kommenden Tagen die Einschränkung des Funks getestet. Aus den Erkenntnissen der Testphase will man Maßnahmen und Regeln für die Zukunft ableiten. Für viele Fans spricht vor allem der Unterhaltungswert der Rennen gegen den Teamfunk. Immer wieder laufen die Rennen ohne Funk weniger kontrolliert, bieten den Fahrern mit ausgeprägtem Renninstinkt und Offensivbewusstsein mehr Chancen. Dass ohne Funk aber die „alte Zeit“ zurückkehrt, wo sich Sprinterfelder bei Flachetappen verschätzten und die Baroudeure überraschend den Sieg holten, ist nicht unbedingt zu erwarten. Denn den modernen Radsport zeichnet die Tendenz zur maximalen Kontrolle aus – dann werden ohne Funk die Ausreißer eben gar nicht erst weit weggelassen.
Man darf gespannt sein, welche Erkenntnisse die Verantwortlichen ziehen und welche Regeln die UCI künftig beschließen wird.