Simon Geschke hat seine letzte Tour de France als Profi bestritten. Seine 12. Frankreich-Rundfahrt, die 20. und damit letzte Grand Tour seiner langen Karriere. „In Monaco schloss sich der Kreis für mich. Beim Start meiner ersten Tour de France 2009 in Monaco stand die Startrampe für das Auftaktzeitfahren an der gleichen Stelle, wie nun beim Abschlusszeitfahren meiner letzten Tour de France“, sagt Simon Geschke und lacht. „Das war schon witzig. Die Stimmung war wirklich toll, aber Nizza ist eben nicht Paris“, schiebt Geschke nach. Sehr gern hätte der 38-Jährige seine letzte Tour auf dem Champs Elysees beendet. „Das ist schon etwas ganz Besonderes, dort anzukommen, aber das kann man sich eben nicht aussuchen. Ich habe den letzten Tag dennoch genossen, auch wenn der Parcours echt heftig war und man auch in den Abfahrten sehr aufmerksam sein musste“, erzählt Geschke.
Geschke wollte sich würdig von der Tour verabschieden, nachdem er im vergangenen Jahr wegen Krankheit aufgeben musste. Jeden Tag wurde er beim Einschreiben als ehemaliger Etappensieger begrüßt und am Ende auch würdig verabschiedet. „Im Rennen ist man einfach so im Tunnel, dass man gar nicht viel darüber nachdenkt, aber nachdem die letzte Bergetappe geschafft war, kam dann schon ein besonderes Gefühl in mir auf“, sagt Geschke. Der Mann für die großen emotionalen Worte oder Gesten ist er ohnehin nicht.
Als er seine allerletzte Tour-Etappe beendet hatte, warteten im Ziel alte Bekannte. „Es war ein schöner Moment. Ich kam ins Ziel und dort waren Tom Dumoulin (ehemaliger Teamkollege und nun TV-Experte) und Michael Matthews (ehemaliger Kollege und nun Fahrer bei einem anderen Team). Wir saßen da noch einen Moment im Ziel und haben einfach gequatscht“, erzählt Geschke.
Viele Wegbegleiter seiner langen Karriere waren bei der Tour dabei – für Geschke gab viele schöne Momente. „Ich bin so lange dabei, ich fahre vor dem Start beim Einschreiben an jedem Bus vorbei und grüße jemanden“, sagt er lachend. „Staff und Fahrer wechseln während ihrer Karriere die Teams, da kennt man irgendwann in jedem Team jemanden. Aber ich habe auch Nachrichten bekommen, von einem ehemaligen Busfahrer, oder Kollegen. Die letzte Tour war schon ein besonderes Rennen.“
Sportlich lief es nicht 100%ig. „Meine Form war nicht ganz so gut, wie beim Giro. Nicht viel schlechter, würde ich sagen, aber auf diesem Niveau sind 2% schon eine Welt. Auch für unserer Team lief es nicht ideal, aber das lag auch am Verlauf des Rennens“, so Geschke. „Es gab wenige Etappen für Ausreißer, dazu hat UAE das Rennen dominiert, fast ein wenig erstickt. Für ein Team wie unseres, das vor allem aus Fluchtgruppen erfolgreich sein will, macht es das natürlich schwer, zu glänzen. Nach den zwei Etappensiegen von 2023 waren die Erwartungen hoch, so sind wir am Ende natürlich nicht zufrieden. Dass wir gleich drei Fahrer wegen Covid verloren haben, war auch nicht hilfreich. Radsport auf Top-Niveau ist brutal, willst du bei bei der Tour was holen, muss einfach alles passen. Naja, es sei denn, du hast einen der ‚Großen Drei‘ in deinem Team“, sagt Geschke mit einem Schmunzeln.
Den Schlussstrich unter die Tour de France zu setzen, fällt Geschke nicht schwer. „Ich weiß, was ich kann und ich weiß auch, dass man mit 38 nicht mehr besser wird.“ Das Niveau bei der Tour steigt immer weiter, was die Top-Fahrer in diesem Jahr leisteten, beeindruckte auch den Berliner. „Ich kenne mein Limit. Bei 7 Watt/kg ist bei mir nach ein paar Minuten Schluss, aber die Jungs da vorn fahren das am Plateau de Beille von unten bis ganz oben. Das ist schon beeindruckend“.
Deutschland Tour voraus
Nach der Tour de France hat Geschke eine Pause eingelegt, ist bei der Clasica San Sebastian wieder eingestiegen. „Ein ganz tolles Rennen, aber ohne entsprechende Beine macht es nicht so viel Spaß. Ich habe die Stimmung und die tollen Fans im Baskenland dennoch genossen.“ Genießen will er im August auch die Kulisse bei seiner Heim-Rundfahrt. „Als die Möglichkeit entstand, wieder bei der Deutschland Tour mit der Nationalmannschaft dabei zu sein, habe ich mich sehr gefreut“, sagt Geschke. „Es ist schon etwas Besonderes und ich freue mich sehr auf die Kulisse. Die Etappen sehen auf den ersten Blick jetzt nicht ideal für Fahrer wie mich aus, aber mal schauen, wie es wird.“
„Eigentlich hatte ich im Frühjahr etwas damit geliebäugelt, vielleicht sogar noch die Vuelta zu fahren. Das wollte ich in meiner Karriere immer mal machen – alle drei Grand Tours in einer Saison. Es hat sich nie ergeben und so wird sich das jetzt in meiner Karriere nicht erfüllen“, sagt Geschke ohne Wehmut. „Ich bin Giro und Tour Vollgas gefahren, spüre, dass ich die Vorbereitung nicht so schaffe, dass ich bei der Vuelta über drei Wochen eine Rolle spielen kann. Wir haben als Team große Ambitionen, wollen auch jungen Fahrern über die Grand Tours die Chance geben, sich zu entwickeln. Es kommt für mich nicht in Frage, jemandem einen Startplatz wegzunehmen, wenn ich nicht Leistung auf absolutem Top-Niveau abliefern kann“, so Geschke.
Über die Deutschland Tour bereitet er sich auf die World-Tour-Eintagesrennen in Kanada vor. „Das wird ein schöner Trip, ich mag diese Rennen sehr. Hoffentlich kommt die Form rechtzeitig zurück“, so Geschke.