Es war die erste Bergankunft dieser 104. Frankreich-Rundfahrt und die großen Favoriten mussten zeigen, was sie drauf haben. Bereits am fünften Tag der Tour einen ersten Test einzubauen, war eine gute Entscheidung der Streckenplaner. Auch wenn die Abstände am steilen, aber kurzen La Planche des Belles Filles nicht gewaltig waren, so konnte man schon einen kleinen Einblick in das Kräfteverhältnis der Top-Favoriten bekommen.
Richie Porte – stark, aber unsicher?
Der Australier ist in absoluter Top-Verfassung zur Tour gereist und brennt darauf, der Konkurrenz das Hinterrad zu zeigen. Er spannte sein Team den ganzen Tag ein und wollte offenbar unbedingt diese Etappe für sich nutzen. Porte sagte nach dem Rennen, dass er zufrieden sei, aber schon etwas mehr erwartet hatte. Der Australier ist in einer schwierigen Situation. Alle Experten sagen, dass diese Tour seine große Chance auf den Sieg ist. Er sieht die außergewöhnliche Chance, aber spürt sicher auch den Druck. Warum sonst sollte er seine Mannschaft in flachem Terrain so lange arbeiten lassen? Auch wenn dieser Berg sicher nicht optimal für Porte ist, hat er einen kleinen Dämpfer einstecken müssen. Aru holte sich den Sieg und er selbst hatte am Ende Mühe, bei Froome am Rad zu bleiben. Ob er sich davon nun verunsichern lässt, werden die Etappen am Wochenende im Jura zeigen.
Dan Martin – die Chance auf die ganz große Überraschung
Der Ire Daniel Martin hat beim belgischen Team Quick-Step genau das Umgeld gefunden, dass er benötigt, um schnell Rad zu fahren. Viele Helfer braucht er ohnehin nicht, wenn er in guter Form ist. Genau das scheint der Fall zu sein. Schon bei der Ankunft in Longwy war Martin sehr stark. Kein Wunder, so die erste Reaktion, immerhin hat er 2013 Lüttich-Bastogne-Lüttich gewonnen. Doch Martin macht in diesem Jahr einen noch stärkeren Eindruck, als im vergangenen Jahr, als er am Ende Neunter der Tour wurde.
Martin ist im besten Rundfahreralter (30) und hat kaum Druck, da im Team Marcel Kittel fährt und auch siegt. Er ist sehr stabil und hat nur 25 Sekunden Rückstand. Klar, im Zeitfahren am vorletzten Tag wird er einiges aufgebrummt bekommen, aber so stark wie er im Moment ist, könnte er am Ende sogar auf dem Treppchen landen.
Chris Froome – wie erwartet, im Juli in Top-Form
Während man bei der Dauphine noch etwas zweifelte, ob der Titelverteidiger rechtzeitig in Form kommt, hat man nun Gewissheit. Es ist Juli und Froomey ist wieder bereit für Gelb. Er war es, der nachsetzte, als Aru eine Lücke gerissen hatte. Nachdem ihm die Konkurrenz am Rad klebte, nahm er kurz raus und das spielte Aru in die Karten. Froome hat zwar das Zeitfahren kurz vor Schluss als gute Option, noch etwas zu korrigieren, doch er muss in den Bergen bei den Besten bleiben. So stark, wie Froome am La Planche des Belles Filles war, scheint das kein großes Problem zu sein.
Nairo Quintana – kommt er noch in Schwung?
Dieser Berg war nichts für den kleinen Kolumbianer – flache Anfahrt und dann eine Rampe, bei der man kurz, aber heftig hochpressen muss. Das ist nicht das ideale Terrain für Quintana. Doch in Top-Form hätte er sicher bei den Allerbesten mitfahren können. Quintana hat den Giro im Vollgas-Modus bestritten, danach rausgenommen und muss nun bei der Tour erst wieder in Schwung kommen. Wie sehr ihn die Giro-Belastung am Ende ausbremst, muss man abwarten. Noch hat er weniger als eine Minute Rückstand auf Froome, doch er muss angreifen, will er gewinnen. Danach sieht es im Moment nicht wirklich aus. Dazu fehlt Alejandro Valverde als wichtigster Helfer, oder vielleicht sogar Kapitän im Team. Quintana darf man sicher nicht abschreiben, aber es bleiben nur noch zwei Bergankünfte für den Kolumbianer und wilde Überraschungs-Angriffe sind eher nicht sein Ding. Spätestens am Mont du Chat wird man sehen, wie stark er wirklich ist.
Emanuel Buchmann – der Hype geht wieder los
Ohne Frage hat Emu Buchmann einen großen Schritt gemacht. Er ist stärker geworden und in super Form zur Tour gekommen. Seine Leistung im Zeitfahren zum Auftakt war hervorragend und auch am La Planche des Belles Filles schlug er sich ordentlich. Natürlich prima Vorraussetzungen für den nächsten Hype in den deutschen Medien. Zumindest bei denen, die sich so sehr einen deutschen Rundfahrer wünschen. Doch während Buchmann zu Beginn der Tour durchaus noch hätte hoffen können, auch ein wenig auf eigene Rechnung fahren zu können, ist das Thema mit dem Ausschluss von Peter Sagan erledigt. Das Team Bora-hansgrohe muss nun voll auf die Karte Majka setzten, und so wie das Team aufgestellt ist, wird Buchmann eine sehr wichtige Rolle als Helfer spielen müssen. Klar, hätte Buchmann am Mittwoch Majka 40 Sekunden abgenommen, hätte man vielleicht anders diskutiert, aber so ist das Thema durch. Auch wenn sich einige Kollegen etwas anderes wünschen, wird es Buchmann genau so meinen, wenn er sagt, dass er vor allem Helfer für Majka ist.
So stark wie sich Simon Yates und Louis Meintjes präsentieren, wäre es wohl teamtaktisch falsch, alles auf das Weiße Trikot zu setzten.