Herr Schär, wie fühlt es sich an der „Bodyguard“ eines der großen Favoriten für die Ronde zu sein?
(Lacht) Es fühlt sich an wie jedes andere Rennen auch. Ich habe diese Rolle schon über viele Jahre inne, ob es nun bei den Klassikern oder der Tour de France ist. Aber es für Greg zu tun ist speziell. Er ist ein guter Freund, ein guter Typ, und das für ihn zu machen ist auf eine Art eine Ehre.
Ist es auch sportlich speziell?
Das ist absolut so. Man muss für jeden Leader ein Gefühl haben. Jeder hat seine kleinen Präferenzen, seine Art zu fahren und Greg hat eine sehr spezielle Art zu fahren. Über die Jahre weiß ich natürlich ganz genau, wann er wo und was machen will. Aber er ist eigentlich der relaxteste, entspannteste Leader, den du haben kannst. Er ist wirklich nie in Panik, nie im Stress. Das wirkt sich auf das ganze Team aus, so dass wir alle ganz relaxt sind, es professionell angehen und nicht irgendwie gestresst.
Bei der Ronde spielt die Positionierung vor den Schlüsselstellen eine große Rolle. Macht er da die Ansagen oder braucht es das nicht mehr?
Nein, im Rennen macht er die Ansagen nicht. Vielleicht im Meeting am Tag davor. Das sagt er, das sind meine Punkte, wo ich wirklich vorne sein will und vorne sein muss. Aber im Rennen weiß jeder genau, was er zu tun hat. Und wenn es mal ein bisschen aus der Hand läuft, dann übernehme ich auch manchmal die Rolle des Captain du Route und muss ein bisschen die Ansage machen. Dann übernehme ich diese Rolle, um ihm diese Last von den Schultern zu nehmen.
Van Avermaet ist in Flandern groß geworden, kennt hier jede Straße. Wie haben Sie die Streckenkenntnis gewonnen, die bei den Kopfsteinklassikern so entscheidend ist?
Ich habe das wirklich wie aus dem Schulbuch gelernt. Ich habe mir da kleine Zettel gemacht, für jeden Berg einen Spickzettel mit der Länge, Kopsteinpflaster, Steigungsprozenten, die maximale Steigung. Ich habe mir für jeden Berg einen attack point gemacht. Zum Beispiel eine Kurve mit einer Kirche. Da musst du vorne sein. Denn meistens ist ja vor dem Berg schon der kritische Faktor. Und das habe ich vor 13 Jahren wirklich in- und auswendig gelernt und bis heute kenne ich noch jeden Berg auswendig.
Im letzten Jahr war die Muur in Geraardsbergen nach sechs Jahren erstmals wieder dabei und hat überraschend eine vorentscheidende Rolle gespielt, obwohl sie schon früh im Rennen kam. Wird das in diesem Jahr auch wieder so sein?
Ich denke nicht. Im ersten Jahr war der Überraschungseffekt da. Philippe Gilbert ist immer ein sehr, sehr intelligenter Fahrer. Er weiß immer genau, wann er uns überraschen kann und hat das ausgenutzt. Dieses Jahr, glaube ich, erwischt du nicht so viele Fahrer auf dem falschen Fuß, da sind wir sicher alle vorbereitet. Es wird sicher ein Riesenfight in die Muur rein, aber ich glaube nicht, dass sie so entscheidend sein wird dieses Mal.
In Belgien ist die öffentliche Aufmerksamkeit für die Ronde enorm, in sämtlichen Medien gibt es viele Vorberichte und Van Avermaets Form wird in Frage gestellt. Belastet das das Team und Greg selbst?
Man kriegt schon mit was die Presse schreibt, obwohl ich Flämisch nicht so wirklich verstehe. Aber für uns ist das kein Stressfaktor, weil wir wissen, er ist gut in Form. Wir wissen es aus den Rennen, die wir gesehen haben. Er ist wirklich einer der Topfahrer, der die Power und die Kondition hat und deshalb stehen wir ganz klar hinter ihm. Er hat das Zeug zum Sieg.
Wie geht er selbst mit dem Druck um?
Das ist phänomenal wie er damit umgeht. Er ist der Relaxteste. Er zeigt das nicht nur nach außen. Es ist wirklich so. Das ist einfach sein Naturell. Er lässt sich durch nichts und niemanden stressen. Ich denke, das ist eine seiner Stärken, dass er sich das nicht zu nahe gehen lässt.
Worauf wird es dann am Sonntag ankommen, damit er sich endlich den Traum vom Sieg bei der Ronde erfüllen kann?
Für uns ist es ganz klar diese Positionierung, die wir vorhin angesprochen haben. Da hat jeder seine Rolle. Am Kwaremont zum Beispiel müssen wir die bestmögliche Positionierung haben und dann wird er es schon richten.