Jan-Niklas Droste

Wie beeinflusst die Corona-Pandemie deinen Alltag als Teamarzt? 

Der größte Corona bedingte Unterschied liegt sicherlich darin, dass der Teil der Teamarzt-Tätigkeit, der vor Ort stattfindet, aktuell nicht umsetzbar ist. Hierdurch ist der kommunikative Anteil der Arbeit deutlich mehr im Fokus. Den gab es vorher auch, klar – die Dimension hat sich verständlicherweise aber in diese Richtung verschoben. Dies bedingt neue Herausforderungen, hat durchaus aber auch positive Aspekte.

Werden bei Fahrern aktuell nur bei Symptomen Covid19-Tests durchgeführt, oder gibt es gar routinemäßige Tests?

Das Thema Covid-19-Testungen ist ein sehr weit gefächertes Feld und muss daher differenziert betrachtet werden. Wir haben auf der einen Seite die Nachweis-Tests des Virus. Diese werden als Abstrich im Mundraum oder der Nase genommen und dann mit einer PCR auf das Virus überprüft. Eine weitere Option sind serologische Tests. Hier wird Blut abgenommen und mittels Elisa untersucht, ob der Körper bereits eine immunologische Reaktion auf das Sars-Cov-2 Virus gezeigt hat. Hierbei handelt es sich um die viel diskutierten Antikörper-Tests.

Ein drittes Feld sind die Schnelltests. Hier wird häufig durch einen Bluttropfen das Vorhandensein von Antikörpern überprüft. Jeder Test hat damit seine Stärken und Schwächen. Bei den Antikörpertests wird die aktuelle Diskussion vor allem aufgrund einer eingeschränkten Genauigkeit kontrovers diskutiert. In der Fachwelt reden wir von Sensitivität und Spezifität. Sensitivität ist die Genauigkeit einen „wirklich“ Positiven auch im Test als „positiv“ zu testen. Spezifität ist die Genauigkeit mit der ich einen „wirklich“ Negativen auch im Test als „negativ“ erkenne. Wenn ein Test sowohl in der Sensitivität wie auch Spezifität große Defizite hat, stellt sich immer die logische Frage, ob eine Testung überhaupt sinnvoll ist. Hier entwickelt sich die Genauigkeit der Labortests aktuell sehr schnell weiter, sodass ich davon ausgehe, dass wir in naher Zukunft sehr genaue Testmöglichkeiten haben werden.

Nun zu deiner eigentlichen Frage, die sich leider nicht einheitlich beantworten lässt. Wir haben international betrachtet – und das ist eine Herausforderung in einem international agierenden Sport – sehr unterschiedliche Bedingungen, was Tests anbelangt. In Deutschland sind die Kapazitäten mittlerweile ausreichend, in anderen Ländern ist das nicht so. Daher ist eine allgemeingültige Aussage diesbezüglich nicht zu treffen. Ich persönlich befürworte eine Testung, wenn die Tests genau sind! Entscheidend ist dabei, dass eine Testung immer nur eine Momentaufnahme ist – Tests machen nur dann einen strategischen Nutzen aus, wenn sie im Rahmen eines Gesamtkonzepts betrachtet und eingesetzt werden. 

Also betrachtest du Antikörper-Tests bei Athleten grundsätzlich als sinnvoll? 

Wenn die Tests ausreichend verfügbar sind, die Genauigkeit der Tests gut bis sehr gut ist und sich alle Beteiligten der Bedeutung und Limits eines Testergebnisses bewusst sind, kann eine Antikörpertestung eine reale Option sein.

Gibt es zudem Quarantäne vor Trainingslager? 

Quarantäne ist ähnlich wie Lockdown ein Begriff, der das Jahr 2020 prägen wird. Und wir verwenden diese Begriffe als Synonym für eine ganze Reihe von Maßnahmen – das ist meiner Meinung nach falsch. Wenn du mit Quarantäne ganz allgemein Maßnahmen meinst, die dazu führen, dass vor einem Trainingslager das Infektionsrisiko reduziert wird, stimme ich dir zu. Das ergibt absolut Sinn, Verhaltenshinweise wird es geben. Für eine richtige Quarantäne, mit allen notwendigen Auflagen habe ich weder die Befugnis noch würde ich mir diese Option wünschen.

Gibts es mit Blick auf den Neustart der Saison besondere medizinische Vorkehrungen?

In unserem Team versuchen wir, die folgenden Bausteine umzusetzen: Risiko einer Infektion mit dem Corona-Virus reduzieren. Das Diagnostizieren einer möglichen Infektion und Handling von Sars-Cov-2-Fällen. Und letztlich, mögliche, mit einer Infektion verbundene Risiken minimieren. Unser Anspruch als Team ist, dass wir einen Rahmen schaffen können, in dem diese Vorgaben erfüllt sind und dennoch unser Sport wieder als Team ausgeübt werden kann. Ich glaube, eine zentrale Erkenntnis, die wir alle in den letzten Wochen gemacht haben, ist, dass eine Einschätzung, die heute als richtig und wichtig erscheint, in kurzer Zeit schon wieder irrelevant ist. Daher bleiben wir in diesen Punkten weiter sehr aufmerksam und verfolgen die Entwicklungen, um zum jeweiligen Zeitpunkt den bestmöglichen Wissensstand repräsentieren zu können.

Kann man sich eventuell beim DFL-Konzept für die Fußball-Bundesliga etwas abschauen? 

Als wichtigsten Punkt sehe ich hier die konsequente, konstruktive und ausgesprochen vorbildliche Herangehensweise. Einzelne Inhalte möchte ich garnicht bewerten aber zusammengefasst müssen wir konstatieren: Alle Beteiligten von der Liga, über den Verband bis zum Verein haben an einem Strang gezogen, mit dem Ziel, dass ein Spielbetrieb möglich ist. Das ist für mich die wichtigste Erkenntnis des DFL-Konzeptes. 

Gibt es zwischen den Mannschaften einen Austausch bezüglich der Vorkehrungen und Schutz-Überlegungen?

Es gibt sicherlich einen Austausch, da wir alle ja mehr oder weniger vor den gleichen Herausforderungen stehen. Dennoch müssen bei diesen, international angelegten Vorkehrungen, dann auch die jeweiligen Rahmenbedingungen auf Landesebene beachtet werden. Genau das sehen wir aktuell auch bei den Strategien, dass lokal und branchenspezifisch unterschiedliche Strategien umgesetzt werden.

Gibt es besondere Vorgaben der UCI, wie mit Covid19-Fällen umgegangen werden muss, beispielsweise eine Meldepflicht oder medizinische Schutzsperre?

Wir als Team sehen bereits, dass erste Sport-Dachverbände national und international Anweisungsempfehlungen für das Management, den Umgang mit Verdachtsfällen und das notwendige sportmedizinische Handling ausgegeben haben. Ich denke, ähnliche Konzepte lassen sich auch auf den Radsport übertragen. Mein Kenntnisstand ist, dass die UCI eine Arbeitsgruppe zu dem Thema plant. Dass mit zunehmendem Wissen auch diese Konzepte stetig überarbeitet werden müssen, ist für mich selbstverständlich und steht nicht im Widerspruch zur Qualität des Konzeptes. Wir alle lernen täglich neue Aspekte des Lebens mit Corona kennen. Die Sportmedizin ist davon nicht ausgenommen.


Podcast | Neustart 2020 – Probleme, Planspiele, Kapitäne & Strategien