Etwas Aufregung, Spannung und ein wenig Ungewissheit zeigte Georg Steinhauser (EF Education–EasyPost) noch, als er in Fortuna aus dem Mannschaftsbus stieg. Neu eingekleidet in das rosa Outfit des US-amerikanischen Teams, zu dem er in der Winterpause stieß, rollte er zum Start der 42. Austragung der Vuelta Ciclista a la Region de Murcia Costa Calida. Sein erstes Rennen als WorldTour-Profi. 183 strapaziöse Rennkilometer durch die hügelige Landschaft Murcias, die dann am Strand von Cartagena endeten.
„Ich weiß nicht, was ich erwarten kann und wo ich stehe, aber genau das werde ich rausfinden“, erzählte der 20-Jährige vor dem Start gegenüber CyclingMagazine. Knapp fünf Stunden später kam der Allgäuer mit dem Weißen Trikot des besten Jungprofis und einer bronzenen Radskulptur mit einem breiten Grinsen zu seinen Teamkollegen zurück.
Steinhauser erreichte das Ziel auf Rang 14, nur vier Sekunden hinter Sieger Alessandro Covi (UAE Team Emirates) und war gleich bei seinem ersten Renneinsatz voll dabei, mit den Besten der Welt. „Das hätte ich mir überhaupt nicht erwartet. Ich bin mit dem Rennen super happy, auch wenn ich im Finale noch ein paar Fehler gemacht habe“, schilderte der Allgäuer, dem die sportlichen Gene seines Vaters Tobias, der selbst zehn Jahre als Straßenprofi sein Geld verdiente, in die Wiege gelegt wurden.
Auch wenn der Filius mit seinem Vertrag bei EF Education–EasyPost nun auch zum Feld der Profifahrer gehört, so muss Georg derzeit seine Berufsausbildung noch beenden. „Da bin ich dann im August fertig und danach ist erst mal nur Radfahren angesagt. Und darauf freue ich mich schon“, grinste der junge Deutsche, der aktuell noch vier bis fünf Mal in der Woche von 06:30 bis 12:30 arbeitet. „Für die Rennen bekomme ich aber frei“, schmunzelte der Metallbauer, der neben dem Radsport Treppen und Balkone aus Stahl produziert in der Firma seines Vaters.
Mit seinem Team war er im Januar in Girona im Trainingslager. Mit dem Schweizer Zeitfahrspezialisten Stefan Bissegger hat er auch einen neuen Trainingspartner gefunden: „Er wohnt in der Nähe der Freundin in der Schweiz und daher gehen sich die gemeinsamen Ausfahrten gut aus.“ Bei der Verpflichtung von Steinhauser sprach Teamboss Jonathan Vaughters vom besten U23-Fahrer, den sich die US-Amerikaner sichern konnten. „Ich habe das gelesen und es hat mich gefreut. Aber das musst du aus dem Kopf nehmen, denn auf der WorldTour musst du schauen wo du stehst und was du dann wirklich erreichen kannst“, nahm Steinhauser die Vorschusslorbeeren gelassen auf.
Im Team ist man von Steinhausers Qualitäten überzeugt. „Er ist noch sehr jung, aber ein Investment für die Zukunft. Deshalb haben wir auch so viele junge Fahrer derzeit unter Vertrag. Sie sind Talente, die sich nun entwickeln müssen“, meinte der Sportliche Leiter des jungen Deutschen Juan-Manuel Garate, der weiter erklärte, wie das Team aktuell versucht, seine Athleten weiterzubringen: „Das geht nur Schritt für Schritt. Bei Georg wissen wir ja noch nicht einmal, welche Art von Fahrertyp er werden kann. Wir studieren die Zahlen, aber am Ende ist es nicht nur Talent sowie physische Werte, sondern auch die Fähigkeit, ein Rennen zu lesen und mitzubestimmen.“
Es sei offen, welche Position Steinhauser einnehmen kann und was die Zukunft bringt. „Er hat aber heute gezeigt, dass er Großes in sich hat“, so der Spanier weiter, der selbst überrascht war, wie sich sein Sportler an den Bergen zeigte und auch in den entscheidenden Phasen im Feld bewegte: „Es war ein super Job und er hat bis zum Ende um den Sieg gekämpft. Das hat schon was.“
Musterschüler, von Haus aus
Denn der Schritt von der U23 in die WorldTour sei laut Garate immer noch ein großer, auch wenn viele Wunderkinder zuletzt einen anderen Eindruck im Radsport vermittelten. „Georg lernt schnell und hat auch in Murcia schon nach der Ziellinie seine Fehler analysiert. Er will und hört zu. Das stimmt uns zufrieden und das ist auch genau der Weg, wie du in diesem Peloton groß werden kannst“, blickte Garate voraus.
Viel vom erfolgreichen Paket, welches Steinhauser mitbringt, führt der Spanier auch auf seine Herkunft zurück: „Er weiß von zuhause, was es bedeutet, Spitzensportler zu sein. Das hat er definitiv in der DNA und das hilft ihm enorm.“ Als der ehemalige Profi, der bei allen drei Grand Tours gewinnen konnte, das erste Mal auf den 20-jährigen Allgäuer traf, wurde auch er mit seiner Vergangenheit konfrontiert. „Ich muss zugeben, als er mir erzählte, dass ich schon gegen seinen Vater gefahren bin, habe ich mich alt gefühlt„, grinste Garate.
Dieses Gefühl können aber auch andere Betreuer bei der US-amerikanischen Mannschaft mit ihm teilen, denn viele der jetzigen Leiter waren frühere Kontrahenten von Steinhausers Vater, der auch einen alten Bekannten als fixen Trainer für seinen Sohn engagierte, mit dem Italiener Michele Bartoli. „Der Kontakt kam über meinen Vater zu Stande. Wir haben in Italien trainiert und dann bin ich ein paar Mal mit ihm gemeinsam gefahren“, schilderte Steinhauser das Zustandekommen mit seinem Trainer. Von Jahr zu Jahr haben sie nun die Intensität des Trainings gesteigert.
„Jeden Winter habe ich gemerkt, dass ich einen weiteren Sprung gemacht habe“ , erzählte der Allgäuer stolz, der aber auch weiß, dass er noch viel tun und erreichen muss, um die Erfolge seines Coaches zu toppen: „Da muss ich noch ein paar Rennen schnellfahren, um da mitzuhalten.“