Die beiden Bora-Kapitäne – Hindley vor Buchmann

Das Team Bora-hansgrohe konzentriert sich erstmals bei einer Grand Tour voll auf die Gesamtwertung. Ohne Sprinter, mit mehreren Kapitänen und reichlich Berg-Helfern ging man vor zwei Wochen in die Italien-Rundfahrt. Das ausgegebene Ziel war, einen Fahrer auf das Podium zu bringen. Nun beginnt die entscheidende Phase dieses Giro. Sieben Etappen und das abschließende Zeitfahren stehen noch an. „Der letzte Block dieses Giro ist der schwerste“, sagte der Sportliche Leiter Jens Zemke. Dieser Block beginnt mit zwei anspruchsvollen Etappen am Wochenende, ehe am Montag der letzte Ruhetag ansteht.

Super Ausgangsposition

Die Ausgangssituation bei Bora-hansgrohe ist exzellent. Die drei Kapitäne liegen in den Top12 der Gesamtwertung. Jai Hindley liegt als Gesamtvierter nur 20 Sekunden hinter dem Rosa Trikot. Emanuel Buchmann mit nur 1:09 Minuten auf Gesamtrang acht. Wilco Kelderman kassierte bei der Bergankunft in Blockhaus mehr als 10 Minuten und verabschiedete sich aus dem Kampf um Rosa. Der Niederländer hatte Defektpech und musste vor der letzten Steigung das Rad wechseln. Er wurde zurück ins Feld gebracht, wechselte dann zurück auf sein Standardarbeitsgerät. Er habe sich auf dem Ersatzrad nicht wohl gefühlt, die Sitzhöhe hätte nicht gepasst, wurde spekuliert. „Wir haben nachgemessen, der Sattel hatte dieselbe Höhe wie beim anderen Rad„, sagt Zemke. „Auf der Ersatzmaschine war ein neuer Sattel montiert, dass kann schon einen Unterschied ausmachen, den man als Profi merkt. Aus diesem Grund halten wir unsere Sportler auch immer an, an den Ruhetagen auch eine Runde mit den Ersatzrädern zu drehen“, so Zemke.

Ob Kelderman ohne den Defekt hätte bei den Allerbesten mitfahren können, ist fraglich. „Ich bin an den langen Anstiegen nicht gut genug“, sagte Kelderman am Donnerstag, als er auf der 12. Etappe in der Spitzengruppe war und acht Minuten Rückstand gutmachte. Kelderman selbst habe das GC abgehakt, doch bei der Sportlichen Leitung freut man sich, dass der Niederländer nur noch drei Minuten zurückliegt. „Das ist auf jeden Fall ein Abstand, der taktisch relevant sein kann“, so Zemke. In einer Fluchtgruppe platziert, könnte Kelderman andere Teams unter Druck setzen, aber auch auf Etappensieg fahren. „Das ist eine besondere Situation für Wilco, die ihm Chancen ermöglicht. Er hat Zeitfahren und Etappenrennen gewonnen, aber als Profi noch nie eine Massenstart-Etappe. Wir haben gesehen, wie stark er ist, da ist ein Etappensieg möglich. Für unsere offensive taktische Ausrichtung ist das keine schlechte Ausgangssituation“, so Zemke. Mit Hindley und Buchmann bleiben zwei GC-Fahrer in Schlagdistanz zum Podium.

Hindley & Buchmann – Doppelzange für die Schlusswoche

„Wir sind mit den beiden dort, wo wir sein wollten“, sagt Zemke. „Wir wissen, wie schwer die Schlusswoche wird, und wir wissen auch, dass unsere Fahrer eher eine aufsteigende, als absteigende Tendenz haben. Wir haben die Vorbereitung so ausgerichtet, dass sie in der schweren dritten Woche volle Leistung zeigen können“, so Zemke. „Klar, es können äußere Umstände dazu führen, dass sie nicht ihr volles Potenzial abrufen können, wie man bei Wilco gesehen hat. Aber wir sind aktuell voll im Plan“, so Zemke.

Zwei starke Kletterer in der Gesamtwertung weit vorn zu haben, sieht Zemke als Vorteil. Sollte sich Chance für einen der beiden ergeben, in der Gesamtwertung noch weiter vorzurücken, muss man eventuell eine schwierige Entscheidung treffen. „Es kann in einem Rennen schnell eine Situation entstehen, dass die Gruppe sich teilt und wir vorn mit Jai (Hindley) die Chance haben, aufs Podium zu fahren, aber hinten Emu (Buchmann) ist. Dann müssen wir hinten im Auto abwägen und schnell eine Entscheidung treffen. Es ist taktisch auf jeden Fall ein Vorteil, zwei Optionen zu haben“, so Zemke.

Aus Bora-hansgrohe-Sicht hätte man nichts dagegen, wenn Trek-Segafredo und Ineos Grenadiers weiter das Rennen kontrollieren. Doch sollte sich die Chance zum Angriff bieten, will man diese nutzen.

„Wir sind insgesamt bislang gut durchgekommen, haben keine Krankheiten oder schwere Stürze. Dazu haben wir eine sehr, sehr starke Mannschaft, vor allem auch für die Berge. Auch Lennard (Kämna) und Ben (Zwiehoff) machen einen starken Eindruck. Wir freuen uns auf die nächsten Tage und ich bin sehr zuversichtlich“, so Zemke.