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Primož Roglič – Karriere am Scheideweg

Primoz Roglic

Primož Roglič ist eine beeindruckende Persönlichkeit. Fokussiert, ehrgeizig, erfolgreich, sympathisch. Der Slowene jagt dem großen Ziel hinterher – dem Sieg der Tour de France. Es sollte nicht sein, damals, gegen Pogacar, als er Gelb am vorletzten Tag verlor. Es sollte nicht sein, 2021, als er stürzte und ausschied. Ebenso in diesem Jahr. Primož Roglič hat viele große Rennen gewonnen, ein Monument, Olympia-Gold, drei Mal die Vuelta. Doch die Krönung der Karriere wäre die Tour.

Nun hat sein Teamkollege Jonas Vingegaard den ersehnten Toursieg für das Team Jumbo-Visma geholt, als Roglič wiedermal nach Sturz ausschied. Es scheint, als wäre Primož Roglič vom Domestiken überholt worden. Roglič hat die Sympathien der Fans, wirkt stets sympathisch und offen. Er wird auch teamintern einer der Leader bleiben. Aber wie lange noch? Wie viele Versuche hat der inzwischen 32-Jährige bei der Tour noch? Vertrag hat er bis 2025, aber ist er wirklich stärker als Vingegaard und Pogacar? Was ist, wenn nun Evenepoel kommt, dazu die anderen jungen Talente?

Primož Roglič ist keine Person, die sich so einfach bremsen lässt. Sein Ehrgeiz treibt ihn an und er ist sehr professionell. Er wird die neue Situation annehmen und sein Bestes geben. Doch er muss an sich arbeiten, muss zurückfinden, in die Erfolgsspur. Vielleicht auch zu sich selbst – mental die anhaltenden Rückschläge wegstecken und vorangehen. Ob er das kann, wird sich zeigen.

Bislang ist Roglič nach Rückschlägen stets zurückgekommen und hat Erfolge eingefahren. Zweifel hatte er sofort zerstreut. Doch das fast absurde Statement seines Teams nach dem Ausscheiden bei der Vuelta lässt nun erstmals echte Zweifel aufkommen. Die Mannschaft gab Fred Wright die Schuld am Sturz. Dabei war es Roglič, der seine Linie verließ. Es war ein Rennunfall, Pech. Solche Situationen sind ärgerlich, gerade mit diesem Ausgang. Aber so etwas passiert im Radsport. Das Verwunderliche am Statement ist, dass die Mannschaft sich Zeit ließ, zu reagieren. Es war keine Schuldzuweisung im Eifer des Gefechtes, in der Situation größter Enttäuschung. Nein, sie hatten Zeit, nachzudenken. Dann machen sie nach solch einem Sturz einen 23-Jährigen für das Ausscheiden verantwortlich und provozieren (möglicherweise unüberlegt unabsichtlich) einen Shitstorm gegen Fred Wirght. Warum?

Sie mögen mit dem Statement im Kern einen Punkt treffen, der nachvollziehbar ist. Radsport soll sicherer werden, wenn alle besonnener handeln. Aber dann ein Statement rauszuhauen, in dem die Schuld einem anderen Fahrer zugewiesen wird und kein Wort zu eigenem Fehlverhalten steckt? Gerade Roglič, der im Feld nicht dafür bekannt ist, voreilig und rücksichtsvoll die Bremse zu betätigen, ist möglicherweise auch die falsche Person für solche Kritik. Denn, so berechtigt sie grundsätzlich zu sein scheint, so wirkt sie unreflektiert und stumpf.

Bezieht man bei der Beantwortung der Frage, was das denn solle, die Rückschläge von Roglič mit ein, drängt sich der Gedanke auf, dass dieses Statement vor allem einen Sinn hatte – dem abermals gestürzten Star den Rücken zu stärken. Doch die Verantwortung für das Ausscheiden von sich zu weisen, wird nicht die Lösung sein, um zurückzukommen und neue große Erfolge einzufahren. Jumbo-Visma ist eine exzellente Mannschaft, in der an den wichtigen Stellen sehr fähige und kluge Menschen arbeiten. Primož Roglič ist einer der beliebtesten Radprofis der Welt, der immer noch zur Weltspitze gehört. Doch es scheint so, als stünde seine Karriere am Scheideweg, bliebe ihm für die Erfüllung des großen Traumes nicht mehr all zu viel Zeit. Mit der Qualität, die er besitzt, könnte er so viele Rennen gewinnen und bei so vielen Rennen seine Fans glücklich machen – auch abseits der Tour de France.

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