Nico Denz (Foto: Team Bora-hansgrohe)

„Ja, ich bin jetzt heim gekommen“, sagt Nico Denz mit einem verschmitzten Grinsen. Der 28-Jährige meint damit, dass er endlich für ein deutschen Profi-Team fährt. Seit 1. Januar gehört er zur Equipe Bora-hansgrohe, startet in sein neuntes Jahr in der World Tour. „Ich hab unterdessen schon einige Jahre auf dem Buckel“, sagt Denz während seines trainingsfreien Tages im Teamcamp in Spanien. Er ist gelöst, die Vorfreude auf die neue Saison ist ihm deutlich anzumerken. „Das Team hat mich super aufgenommen. Klar, kannte ich viele Fahrer bereits, aber ein Teamwechsel ist doch immer auch eine Art Neuanfang“. Es ist sein zweiter Teamwechsel als Profi. Im Sommer 2015 wurde Denz Profi, damals beim französischen Team Ag2R. Fuhr davor für das Nachwuchsteam von Ag2R – dem Team Chambery.

Halber Franzose

Nach dem Abi hatte sich Denz als Teenager auf nach Frankreich gemacht, sah in diesem Weg seine Chance Radprofi zu werden. Er lernte die Sprache, trainierte hart und schulte sein taktisches Verständnis. Sein Plan ging auf. Die vielen Jahre in Frankreich haben ihn auch persönlich geprägt, bis heute hat er engen Kontakt zu einigen ehemaligen Teamkollegen und Trainern. „Ich habe die Kultur kennengelernt, spreche die Sprache sehr gut und mag die französische Art, aber meine Heimat ist der Hochrhein und das bleibt auch so“, sagt Denz, der mit seiner Frau und zwei Kindern in der Nähe von Waldshut-Tiengen wohnt.

Fünf Jahre fuhr er bei AG2R, ehe er zum Team DSM ging. Dort etablierte er sich als vielseitiger Fahrer, der auf jedem Terrain die Leader unterstützen kann. „Ich bin kein Wout van Aert oder Tadej Pogacar“, sagt Denz ruhig. „Aber ein erfolgreiches Radteam kann nicht nur aus Kapitänen bestehen. Klar, fahre ich auch selbst gern auf Sieg, aber wenn ich als Helfer meinen Job mache und der Kapitän erfolgreich ist, bringt mir das ebenfalls extrem viel Bestätigung.“ Bei der Tour de Suisse 2022 bekam er seine Chance und nutze sie – Etappensieg bei einer Bergankunft.


Nico Denz (rechts) mit seinem neuen Teamkollegen Lennard Kämna

Leadout-Mann und Berghelfer

Beim Team DSM wurde die Vielseitigkeit von Denz endgültig deutlich. Er wurde in der Sprintvorbereitung eingesetzt, machte bei den Klassikern seine Arbeit, war aber auch bei den Grand Tours für die GC-Fahrer da. Beim Giro 2020 war Denz für die beiden Kapitäne Wilco Kelderman und Jai Hindley der wichtigste Helfer. In den Bergen wuchs er über sich hinaus, machte über Stunden Tempoarbeit an der Spitze des Feldes. „Er ist da über Berge rübergefahren, da dachte man, jetzt müsste er doch eigentlich längst müde sein. Er fährt da eigentlich für zwei, das ist beeindruckend zu sehen“, sagte damals Rolf Aldag als Co-Kommentator bei Eurosport. Aldag ist seit 2022 Sportdirektor bei Bora-hansgrohe, er holte Denz nun ins Team.

„Im Gespräch mit Rolf war schnell klar, dass wir die gleiche Vorstellung von meiner Rolle im Team haben“, sagt Denz. Man wollte einen verlässlichen, tempofesten Fahrer verpflichten, der sich für keinen Job zu schade ist, das Rennen lesen kann und verlässlich ist. „Rolf hat mir gesagt, dass sie jemanden suchen, der hart treten und ne Flasche annehmen kann. Ich hab gesagt: Das kann ich“, sagt Denz und lacht los. Was der Südbadener in einem Witz verpackt, trifft aber den Punkt – Kapitäne hat das Team Bora-hansgrohe ausreichend. Verlässliche Helfer, die den unbequemen Job machen, da hingehen, wo es keinen Fame gibt, aber ordentlich wehtut, gibt es in der gesamten WorldTour nur wenige. Für ein Team mit Fokus auf Grand Tours, sind solche Fahrer besonders wichtig. Denz steht auf der Longlist für den Giro d’Italia – dort will das Team mit Aleksandr Valsov erneut um den Gesamtsieg kämpfen.

„Ich kenne meine Rolle, bin gern der harte Arbeiter im Hintergrund„, sagt Denz. Die Zeit im französischen Nachwuchsteam sei nicht einfach gewesen, aber eine prägende Zeit. Er musste sich oft unterordnen, seine wenigen Chancen nutzen und sich durchbeißen. Er musste der Mannschaft beweisen, welchen Wert er für ein Team hat – oft waren es die Teamkapitäne, die sich für ihn einsetzen. „Jeder Kapitän merkt ganz genau, wer sich voll aufopfert und auf wen er sich verlassen kann. Im TV ist das oft gar nicht zu sehen, aber die Teamkollegen im Rennen wissen es ganz genau“. Denz hat genug Erfahrung, um die Mechanismen im Radsport zu kennen, durchschaut Zusammenhänge schnell. Gutes Abi, BWL-Studium parallel zur Karriere, Familienvater – Denz ist Radsportler mit Leidenschaft, sein Leben hat aber auch andere Dimensionen.

Keine Tour

Sein Hauptziel für die Saison 2023 ist der Giro. Dort soll er als Helfer für Kapitän Aleksandr Vlasov arbeiten. Es wäre seine sechste Giro-Teilnehme. „Natürlich wäre ich gern die Tour de France gefahren. Ich war noch nie bei der Tour und das ist schon eine heftige Lücke im Lebenslauf„, antwortet Denz lachend auf die Frage, ob er lieber die Tour statt den Giro fahren würde. „Wenn nicht dieses Jahr, dann eben 2024. Um ehrlich zu sein, ich freue mich riesig auf den Giro und die Aufgabe dort. Ich war im vergangenen Jahr dabei, als Bora-hansgrohe den Sieg holte. Sie sind brutal stark gefahren. Bei einigen Etappen habe ich an der Spitze des Feldes neben Patrick Gamper das Tempo für meinen DSM-Kapitän Romain Bardet gemacht. Gampi ist brutal stark gefahren, wie ein Moped. Wie wichtig solche Jobs bei einer Grand Tour sind, ist am TV schwer zu erkennen. Aber gerade in den ersten eineinhalb Wochen ist es bei einigen Etappen essentiell, dass du die Kapitäne vorn aus dem Schlamassel raushältst, sonst verballern die so viel mehr Energie bei der Positionierung im Feld“, erklärt Denz.

Dass er beim Giro die eigenen Ambitionen komplett hinten anstellen muss, macht ihm wenig aus. „Es wird bestimmt andere Rennen geben, bei denen ich selbst was probieren kann. Klar, beim Giro war ich zwei Mal nahe am Etappensieg und sehr gern würde ich das wieder tun, aber wir haben als Team einen klaren Plan und den ziehen wir durch“. Die Deutsche Meisterschaft wird im kommenden Jahr in Baden-Württemberg ausgetragen, nicht weit von seinem zu Hause weg. „Natürlich habe ich das mitbekommen und mir auch schon mal die Strecke angeschaut“, sagt Denz und das schelmische Grinsen kehrt zurück.

Auf Teile der Klassiker wird er verzichten müssen, wenn er sich optimal auf den Giro vorbereiten will. „Schade, aber kein Problem“, sagt Denz, der schon einige Mal bei den großen Pflasterrennen am Start stand. Nach dem obligatorischen Teamcamp und den Feiertagen folgt ein privates Trainingslager Anfang Januar, dann das geplante Höhentrainingslager mit der Giro-Gruppe – es steht viel Arbeit in den nächsten Wochen an. „Jaja, das Lotterleben hat jetzt ein Ende“, sagt Denz und lacht. Sein erstes Rennen wird voraussichtlich die Mallorca Challenge sein. Valencia-Rundfahrt und Tirreno-Adriatico würden in den Plan passen. Dann nach einem weiteren Trainingslager die Tour de Romandie vor dem ersten ganz großen Ziel – dem Giro d’Italia.