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Cian Uijtdebroeks – eine starke Vuelta, aber wirklich Leader-Potenzial?

Cian Uijtdebroeks ist hochtalentiert, sehr trainingsfleißig. Kilometer auf dem Rad, Coretraining etc. … der junge Belgier spult ein Programm ab, was nur ganz, ganz wenige tun. Seine erste Grand Tour hat der 20-Jährige auf Rang acht beendet. Sehr beeindruckend!

Cian Uijtdebroeks gilt seit Jahren als ganz, ganz großes Talent. Bora-hansgrohe verpflichtete ihn, nachdem Dan Lorang den Belgier vom deutschen Team überzeugte. Zunächst noch im Nachwuchsteam, seit 2022 fährt er in der World-Tour-Mannschaft. Bewusst wurde ein Rennplan für die optimale Entwicklung entworfen, dazu gehörte auch der Start bei der Tour de l’Avenir 2022, die er gewann. In diesem Jahr dann größere Ziele, größere Rennen. Der Belgier bekam einen gezielten Aufbau für die Vuelta, seine erste Grand Tour. Er lieferte ab.

Doch auch die Defizite sind bei Uijtdebroeks offensichtlich. Zwar hat er sich stark verbessert, was das Fahren im Feld betrifft, aber Renntaktik, Positionsarbeit, Bikehandling und Renngespür sind noch immer verbesserungswürdig.

Uijtdebroeks hat bei der Vuelta bewiesen, welch Rundfahrten-Talent in ihm schlummert. Ob er allerdings tatsächlich zum großen Leader eines Teams wird, bei den Grand Tours künftig einer der großen Protagonisten und Siegfahrer wird, bleibt abzuwarten. Auch, weil man nach seinem Verhalten während der Vuelta ein paar Fragezeichen hinter seine Leaderqualität setzen kann. In einem Interview mit HLN sprach der Belgier über Spannungen mit dem anderen Kapitän, Aleksandr Vlasov. Rivalitäten zwischen Kapitänen ist nichts ungewöhnliches, diese öffentlich auszusprechen vielleicht auch der Unerfahrenheit geschuldet.

Was jedoch für hochgezogene Augenbrauen sorgte, war seine Äußerung über eine Aktion, die Vlasov gemeinsam mit Nico Denz durchzog. Auf der 18. Etappe war der Kampf um den Tagessieg entschieden, im Feld kontrollierte Jumbo-Visma das Geschehen und das Tempo im kleinen Feld war auf dem Weg zur Schlusssteigung nicht sonderlich hoch. Denz nahm seinen Kapitän Vlasov ans Hinterrad und sie setzten sich ab. Eine Aktion, die Vlasov einiges an Zeit hätte bringen können, wenn Movistar und UAE nicht sofort nachgesetzt hätten. Sie verpuffte.

Uijtdebroeks, der zu diesem Zeitpunkt noch einen Rang vor Vlasov lag, kommentierte die Aktion gegenüber der Presse und nannte sie lächerlich. Im besten Falle hat er einfach gesagt, was er denkt, ohne zu überlegen. Denn solch Bemerkung vom Teamkollegen ist für Vlasov vielleicht unangenehm, für den Helfer, der aus der Fluchtgruppe zurückkommt und sich komplett ausquetscht, für seinen Leader, ist es ein harter Schlag. Denz ist wohl eher kein Typ, der sich von einem Spruch runterziehen lässt, aber wenn man bedenkt, dass die Helfer Uijtdebroeks über drei Wochen an so vielen Tagen zur Seite standen, dabei seine fahrerischen Nachteile gegenüber einigen Konkurrenten ausglichen – es wäre nicht verwunderlich, würden Fahrer diese Aussage als mangelnden Respekt interpretieren.

Jonas Koch beispielsweise hat sich komplett aufgeopfert, mit all seiner Routine und seinen beeindruckenden Fähigkeiten dafür gesorgt, dass Uijtdebroeks dann in den Bergen seine Qualitäten ausspielen kann. Kochs immense Leistung ist für viele unsichtbar, er bekommt keinen Fame und vermutlich entspricht sein Gehalt auch nicht dem eines Top-GC-Fahrers. Aber ohne Fahrer wie ihn, wäre Uijtdebroeks wohl nicht in den Top10 gelandet. Beispielsweise auf Etappe sechs war Uijtdebroeks früh abgehängt, nach einem Defekt. Ohne Koch und Denz wäre an diesem Tag wohl bereits der Traum von den Top10 zerplatzt.

Im Team Bora-hansgrohe wird man genau hinschauen, mit dem künftigen Star sprechen und versuchen einzuwirken. Cian Uijtdebroeks ist 20 Jahre alt, man sollte nachsichtig sein und nicht zu schnell urteilen. Erst recht nicht nach (möglicherweise unbedachten) Äußerungen gegenüber der Presse. Dass er am Samstag noch einmal nachlegte und gegenüber Het Nieuwsblad äußerte, dass die Mannschaft nicht an seine GC-Chancen glaubte und deshalb die Strategie auf Vlasov ausrichtete, wird auch dem Team nicht entgangen sein.

Cian Uijtdebroeks ist ein Megatalent, doch will er Grand Tours gewinnen, muss er eine Mannschaft führen. Steht ein Profi zu 100% hinter seinem Leader, kann er über sich hinauswachsen. Fühlt er sich jedoch nicht ausreichend respektiert und wertgeschätzt, bringt er vielleicht nicht 120%, sondern auch mal nur 85%. Vielleicht hat Cian Uijtdebroeks bei seiner ersten Grand Tour noch viel mehr gelernt, als man denkt.

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