Satte 273 Kilometer ist das Rennen der Männer bei der Rad-WM in Zürich lang. Nach der Anfahrt von Winterthur geht es nach Zürich und dann über sieben Runden auf dem „City Circuit“. Der „City Circuit“ ist eine 26,9 Kilometer lange Runde mit jeweils rund 470 Höhenmetern. Hat einen steilen Anstieg direkt zu Beginn und eine länge Steigung wenig später. Die letzten Kilometer sind weniger anspruchsvoll. Insgesamt sind am Ende rund 4500 Höhenmeter zu absolvieren.

Zürich City Circuit (© Robert Pawlowsky / Veloviewer)

Das Rennen ist extrem lang und sehr schwer. Wie gut die Fahrer mit der großen Distanz und langen Renndauer umgehen können, wird ein entscheidender Faktor sein. Rennen mit Nationalmannschaften und ohne Funk sind selten, taktisch sehr speziell und haben ganz eigene Gesetze. Es finden sich nicht selten Allianzen von Teamkollegen der Profimannschaften zusammen.

Rennen dieser Distanz entwickeln sich oft zu einem Ausscheidungsfahren. Nicht selten wird nach rund 200 Rennkilometern mal aufs Tempo gedrückt und das Feld massiv ausgesiebt.

Mit dem recht langen Anstieg kurz nach der Zielpassage, aber auch weiteren kurzen Anstiegen hat die Strecke mehrere Stellen für mögliche Attacken. Es zeigte sich aber bisher, dass vor allem der erste Anstieg der Runde in der steilen Zürichbergstraße von großer Bedeutung ist. Danach geht es nur kurz bergab und dann weiter hinauf. Hier könnte man mit einem Angriff eine Vorentscheidung erzwingen.

Drückt ein Team in jeder Runde bergauf mächtig aufs Tempo, ließe sich hier das Rennen extrem schwer machen. Für die guten Kletterer eine Chance, es den Allroundern früh im Rennen immer wieder schwer zu machen, sodass sie Körner liegen lassen, die im Finale fehlen könnten.

Auch ließe sich hier vielleicht vor dem eigentlichen Finale eine Gruppe initiieren, die sich absetzen kann. Die Strecke hat einige Kurven, man gerät schnell außer Sichtweite und ohne Funk gelingt es nur mit großer Mühe, stets den Überblick zu behalten, wer angegriffen hat und sich absetzen konnte. Doch bei diesem Parcours sollte man sich die Kräfte gut einteilen.

Profil Männerrennen der WM 2024

Die Favoriten

Tadej Pogacar ist aktuell der beste Radsportler der Welt. Er hat in diesem Jahr das Giro-Tour-Doppel geholt, Strade Bianche und Lüttich-Bastogne-Lüttich gewonnen – holt er sich nun auch das Regenbogentrikot? Der 26-jährige Slowene ist für das WM-Straßenrennen der Top-Favorit. Er hat eine superstarke Mannschaft an seiner Seite und wird vielleicht auch nationenübergreifend Unterstützung bekommen.

Auch der Titelverteidiger Mathieu van der Poel geht als einer der Favoriten ins Rennen. Der anspruchsvolle Parcours liegt Pogacar vielleicht etwas mehr, doch Van der Poel hat in der Vergangenheit bewiesen, dass er bei langen und schweren Rennen auch bergauf bei nicht all zu langen Anstiegen durchaus mithalten kann. Van der Poel ist extrem explosiv, so könnte es ihm gelegen kommen, würde das Rennen lange kontrolliert gefahren und dann erst in den letzten 1-2 Runden attackiert. Doch gerade der Niederländer war es, der in der Vergangenheit bei großen Klassikern früh in die Offensive ging.

Sehr stark ist auch Remco Evenepoel einzuschätzen. Der Doppel-Olympiasieger ist der große Herausforderer von Tadej Pogacar und steht mit großen Erfolgen im Rücken und viel Selbstbewusstsein am Start. Sein Team ist sehr stark, mit Maxim Van Gils, Tiesj Benoot, Tim Wellens und Co. auch für ein langes und schweres Finale gut aufgestellt.

Das australische Team geht mit Michael Matthews ins Rennen, der sehr endschnell ist, bergauf aber wohl Probleme bekommt, wenn Pogacar & Co Vollgas geben. Der Schweizer Marc Hirschi ist in sehr guter Form und sicher extrem motiviert. Das Team aus Frankreich geht mit David Gaudu, Romain Bardet und Valentin Madouas an der Seite von Ex-Weltmesiter Julian Alaphilippe ins Rennen. Auch Fahrer wie Tom Pidcock, Matteo Jorgenson, Antonio Tiberi, Alberto Bettiol und Pello Bilbao sollte man nicht unterschätzen.

Kontrolle vs Attacke ?

Für die allermeisten Teams ist es wenig ratsam, Pogacar und seinem Team das Rennen zu überlassen und dann mitfahren zu wollen, wenn der Slowene angreift. Denn einer „Pogi-Attacke“ können nur sehr, sehr wenige Fahrer auch nur einen Moment folgen. Das taktische Gegenmittel für solche Überlegenheit ist der taktische Kniff, bereits vor der Attacke der Top-Favoriten in die Offensive zu gehen, sodass man vor diesen ist, wenn angegriffen wird und dann folgen kann, wenn man eingeholt wird. Besser noch, die eigenen Fahrer soweit vorausschicken, dass die Top-Favoriten bereits in der Verfolgung Körner lassen und dann angezählt schlagbar sind.

Diesen Plan könnten sicher viele Mannschaften haben, und versuchen, starke Fahrer in die Offensive zu schicken, bevor bei den Favoriten die Post abgeht. Doch das kommt für die Teams der Top-Favoriten sicher wenig überraschend und sie werden die Versuche der Konkurrenz zu enteilen sicher im Keim ersticken – insofern das möglich ist.

Das Resultat solcher Konstellation ist meist ein Rennen, bei dem früh in die Offensive gegangen wird, es Gruppen in unterschiedlichen Konstellationen gibt, diese aber keinen entscheidenden Vorsprung herausfahren können. Hohes Tempo und ein Ausscheidungsfahren über mehrere Runden sorgt dann für ein dezimiertes Feld, aus dem die Top-Fahrer am Ende in die Offensive gehen, wenn ihnen die Helfer ausgehen, oder sie die Chance zur Entscheidung sehen. Das zeigte auch das Rennen der Frauen am Samstag, wo es den Niederländerinnen jedoch nicht gelang, die starke Mannschaft optimal einzusetzen.

Gelingt es jedoch mehreren Teams, sich bei einer kleinen Favoritengruppe eine zahlenmäßige Überlegenheit mit starken Fahrern zu schaffen, könnten auch Konstellationen entstehen, wo beispielsweise Kollegen von Van der Poel, Evenepoel oder Pogacar in einer Gruppe voraus sind – der große Star in der Verfolgung absichert – und es einen Weltmeister gibt, der nicht als Top-Favorit gestartet ist. Primoz Roglic beispielsweise, oder Maxim Van Gils und Tim Wellens würden solch Chance sehr gern wahrnehmen.

Für Teams wie die deutsche Auswahl ist eine Taktik denkbar, die mehrere Szenarien versucht abzudecken. Einen Fahrer vielleicht in der ganz frühen Gruppe mitschicken, dann im Vor-Finale die Gruppen mit besetzen. Junge Fahrer wie Florian Lipowitz und Marco Brenner werden schauen müssen, wie sie bei solch langem Rennen bestehen können.

Möglicherweise versuchen einige Nationen auch die ganz frühe Gruppe mit starken Rouleure zu besetzen, damit es Pogacar und seinem Team möglichst schwer gemacht wird, das Rennen zu kontrollieren – bzw. er schon früh Helfer verschleißen muss.

***** Tadej Pogacar
**** Remco Evenepoel
*** Mathieu van der Poel
** Hirschi, Roglic, Skjelmose, Poweless
* Gaudu, Pidcock, Alaphilippe, Van Gils, Jorgenson, Madouas, Adrià, Williams

Start: 10:30 Uhr
Ziel: ~17 Uhr

Die Startliste

Data powered by FirstCycling.com