Tom Boonen (Foto: Roth&Roth)

Die Muur ist zurück, und das ist gut so

„Es ist gut für die Zuschauer, aber es wird nicht viel am Rennverlauf ändern“, hatte Tom Boonen nach der Streckenpräsentation im vergangenen Sommer gesagt. Ja, für die Zuschauer war es wirklich großartig und sie boten Radsportatmosphäre der Extraklasse. Interessant, dass es vor allem Tom Boonen selbst war, der mit seiner Tempoverschärfung die Muur zu einer Schlüsselstelle des Rennens machte. Boonen sorgte dafür, dass sich die Gruppe mit Philippe Gilbert löste und baute damit eine Rampe für dessen entscheidende Attacke. Ein Szenario, dass die absoluten Ronde-Kenner natürlich auf dem Zettel hatten.

So wurde das Finale der Ronde bereits rund 90 Kilometer vor dem Ziel eröffnet und damit passt dieses Rennen perfekt zu diesem Frühjahr. Denn bei fast allen belgischen Eintagesrennen wurde früh angegriffen und so für eine Vorentscheidung gesorgt. Für die Fans könnte es nicht schöner sein. Während man bei Mailand-Sanremo nix verpasste, wenn man erst 30 Kilometer vor dem Ziel den TV anschaltet, hatte man bei der Ronde kaum Gelegenheit für eine Pippi-Pause. Ein Problem, mit dem sich auch die Kollegen im Pressezentrum arrangieren mussten. Wir freuen uns schon auf die Ronde 2018, hoffentlich wieder mit der Muur!

 

Das Gitter-Problem

Das Rätsel um Sagans Sturz ist gelöst, eine Jacke ist schuld, bzw. der unachtsamer Besitzer des Kleidungsstücks. Hätte, wenn und wären sie noch rangekommen, wollen wir uns hier ersparen. Auch das „lasst nix über die Absperrung ragen“ sollte jedem klar sein. Doch bei der ganzen Thematik gibt es noch einen Aspekt. Wenn schon abgegittert wird, warum wird dann eine Lücke zum Pflaster gelassen, sodass die Fahrer auf der Grasnabe fahren können? Steht das Gitter direkt am Pflaster, werden die Fahrer die Mitte wählen, schon wegen der Wölbung der Straße. Dann gibt es auch mit den „Foto-Handy-Armen“ der Zuschauer viel weniger Probleme. Vielleicht ein Thema für die Zukunft.

Peter Sagan, Greg van Avermaet & Oliver Naesen am Boden (Foto: Roth&Roth)

 

 

Das hat Tom nicht verdient

Wie Tom Boonen von der Ronde verabschiedet wurde, war grandios. Ja, auch ich hatte Gänsehaut. Dass er dann an der Muur die Gruppe initiierte und später als Führender im Rennen über den Oude Kwaremont fuhr, war ein Geschenk für seine unzähligen Fans. Doch nur wenig später nahm der Tag eine bittere Wendung. Ausgerechnet am Taaineberg, der wegen Boonens Attacken in den vergangenen Jahren den Beinahmen „Boonenberg“ trägt, verklemmte sich die Kette wischen Rahmen und Kettenblatt. Boonen musste das Rad tauschen, und erlebte das gleiche noch einmal. Enttäuschung, mega Frust. Ausgerechnet bei der letzten Ronde, das hat er nicht verdient. Beeindruckend, wie cool er blieb. Hätte er das Rad bis in die Schelde geworfen, oder ein Gitter durchgebissen, wir hätten es ihm als angemessene Reaktion durchgehen lassen. Doch der reife Tom Boonen bewahrte auch in dieser Situation die Contenance. Beeindruckend. Wir wünschen ihm jetzt ein sturz- & defektfreies Paris-Roubaix, so wie allen Fahrern.

 

Radsport, nur für echte Männer

Schaut man sich beispielsweise den üblen Sturz von Sep Vanmacrke an, glaubt man kaum, dass der Kerl sich noch einmal aufs Rad gesetzt hat. Auch bei Greg van Avermaets Sturz über Peter Sagan konnte man gut sehen, wie die Radfahrer ticken. Keine 15 Sekunden nach dem Crash sitzt Van Avermaet wieder auf dem Rad. Kurz schütteln, Rad checken, weiter.  


 

Quick-Step, die Klassiker-Equipe

Egal welchen Frühjahrsklassiker wir anschauen, die Quick-Step-Mannschaft hat eine zentrale Rolle gespielt. Sie gehen in die Offensive, machen die Rennen schwer. Es ist ein Team, gemacht für die Pflaster-Klassiker und sie werden den hohen Erwartungen gerecht. Sie haben die Siege – bei der Ronde, aber auch bei Dwaars Dor Vlaanderen oder De Panne – verdient eingefahren.  Sie sind so etwas wie die Renngestalter der Klassikersaison, genau das erwarten die belgischen Fans von ihren Helden.

 

Dylan van Baarle hätte einen Platz auf dem Treppchen verdient

Die Leistung des Dylan van Baarle war beeindruckend. Mit Fabio Felline, der ebenfalls positiv überraschte, machte sich der Niederländer vor dem Koppenberg aus dem Staub. Das Duo wurde von Sagan, Oliver Naesen und Greg van Avermaet nach dem Taainberg eingeholt und van Baarle konnte am Kwaremont dem Trio fast folgen. Als sie stürzten, fuhr van Baarle auf der anderen Straßenseite wenige Sekunden dahinter und konnte ausweichen. Anschließend wurde er erst nach dem Paterberg von Van Avermaet und Terpstra eingeholt und belegt schließlich Rang vier. Im Jahr 2016 war er Sechster, nun lag er zwei Plätze weiter vorn. Für 2018 sollte man den 24-Jährigen auf dem Zettel haben.

 

Wo kam Niki Terpstra her?

Im Trubel des Sagan-VanAvermaet-Naesen-Sturzes, ging die Attacke von Niki Terpstra unter. Terpstra gehörte zu der Gruppe um John Degenkolb, attackierte am Oude Kwaremont und fuhr mit beeindruckendem Tempo nach vorn. Von den Kameras nicht eingefangen, hatte der Niederländer nach dem Kwaremont fast den Anschluss an die Gruppe um Van Avermaet, Trentin und Felline geschafft. In der Abfahrt zum Paterberg schloss er auf und konnte dann als einziger Van Avermaet folgen. Terpstra hat ohne Frage eine gute Form und gehört für Paris-Roubaix zu den Favoriten. 

 

Starkes Rennen von André Greipel

Bereits in der vergangenen Jahren zeigte André Greipel bei der Ronde van Vlaanderen starke Rennen. So auch in diesem Jahr. Dabei dürften die steilen Hellinge dem Sprinter-Kraftpaket eher nicht so liegen. In diesem Jahr hing Greipel am Koppenberg noch an der Sagan-Gruppe, obwohl dort nicht gebummelt wurde. Kurz vor dem Gipfel schaut er nach vorn und sieht dass er noch in Reichweite ist. Dann schließt der Deutsche Meister nicht nur auf, sondern macht sich nach dem Koppenberg allein auf die Verfolgung von den enteilten Van Baarle und Felline. Doch das Duo konnte er nicht ganz erreichen und wurde später wieder von Sagan & Co. eingeholt. Trotz der investierten Energie in diese Verfolgung, gehörte er 19 Kilometer vor dem Ziel immer noch zur Gruppe um John Degenkolb. Irgendwie scheint Greipel dieses Rennen zu liegen. Wäre er bei der ersten Gruppe an der Muur dabei gewesen, hätte, hätte … 2018 gibts wieder eine Ronde.