Für die britische Mannschaft von Dave Brailsford ist die Tour de France das ganz große Ziel. Jahrelang dominierte man dort, holte reihenweise Siege. Gewann man die Tour, war es eine gute Saison, verpasste man dort den Sieg, setzte man alle Hebel in Bewegung, um es im nächsten Jahr wieder besser zu machen. An der Tour wurde die Mannschaft gemessen – der Fokus war eindeutig.
Dies hat sich nun vielleicht etwas verändert. Nicht nur, weil es mit Tadej Pogacar einen neuen Überflieger gibt, der in Frankreich kaum zu schlagen ist. Mit Egan Bernal, dem größten Talent in den eigenen Reihen, setzte man auf den Giro. Bernal kam nach Rückenproblemen zurück und holte sich nach dem Toursieg 2019 beim Giro tatsächlich den zweiten Grand-Tour-Sieg. Bei der Tour war man dann gegen Pogacar erneut chancenlos. Doch auch wenn der Giro-Erfolg das Top-Ergebnis der Saison ist, die Mannschaft lieferte das ganze Jahr ab.
Stark bei Etappenrennen
Vor allem bei den Etappenrennen überzeugte das Team. Tour de la Provence, Katalonien-Rundfahrt, Tour de Romandie, Giro d’Italia, Tour de Suisse, Critérium du Dauphiné, Tour of Norway – eine beachtliche Siegesbalance. Satte 35 Saisonerfolge holte man insgesamt – das bedeutet im Sieges-Ranking Rang drei, hinter Deceuninck-QuickStep und Jumbo-Visma. Doch die britische Mannschaft mit dem üppigen Budget will vor allem bei den ganz großen Rennen erfolgreich sein – allem voran bei der Tour. Dort musste man sich Tadej Pogacar und auch Jonas Vingegaard geschlagen geben – stand mit Richard Carapaz aber immerhin auf dem Podium. Bei der Vuelta verpasste Yates am Ende als Vierter das Podium knapp.
Starke Klassiker
Auch mit der Leistung bei den Eintagesrennen im Frühjahr wird man zufrieden sein. Dylan van Baarle, der erneut eine sehr gute Saison zeigte, gewann Dwars door Vlaanderen und landete bei der Ronde, Gent-Wevelgem und E3-Prijs jeweils in den Top10. Dazu zeigte Thomas Pidcock, warum er als ganz großes Talent gehypet wird. Der 22-jährige Brite siegte beim Pfeil von Brabant und landete bei Kuure-Brüssel-Kuurne auf dem Podium. Dazu Rang fünf bei der Strade Bianche, um Millimeter beim Amstel von Wout van Aert geschlagen und Rang sechs beim Fleche Wallonne.
Bei den italienischen Herbstklassikern war es dann Adam Yates, der für die Top-Resultate sorgte. Vierter bei Giro dell’Emilia, Zweiter bei Mailand-Turi und Rang drei bei der Lombardei-Rundfahrt.
Klar, es fehlt der Toursieg, aber die britische Mannschaft hat über das ganze Jahr hinweg super Leistungen gezeigt und viele große Siege eingefahren. Folgerichtig steht man im WorldRanking ganz weit oben.
Verjüngung
Die Mannschaft behält ihre Top-Leistungsträger und wird ganz sicher auch 2022 zu den stärksten Teams der Welt gehören. Bernal, Yates, Carapaz, Sivakov, Daniel Martinez, Van Baarle, Kwiatkowski, Tao Geoghegan Hart, Zeitfahrer Filippo Ganna … sie alle bleiben im Team. Doch es verlässt auch eine ganze Reihe von Fahrern die Mannschaft. Leonardo Basso, Rohan Dennis, Gianni Moscon, Owain Doull, Sebastián Henao, Iván Ramiro Sosa, Michał Gołaś und weitere Fahrer werden das Team verlassen. Neu verpflichtet werden zwei junge Talente – der 19-jährige Magnus Sheffield und der 20-jährige Ben Tulett, der bei Alpecin-Fenix andeutete, dass viel Potenzial in ihm schlummert. Vielleicht gibt es noch weitere Transfers bis Ende des Jahres.
Man darf gespannt sein, wie man die Klassementfahrer für die Saison 2022 aufteilt. Der Parcours der Tour de France 2022 dürfte Egan Bernal durchaus entgegenkommen. Vielleicht geht man mit Carapaz und Bernal als Doppelspitze in die Tour, um Pogacar und Primoz Roglic unter Druck setzen zu können. Ganz sicher wird man sich Gedanken machen, wie man das Gelbe Trikot zurück ins Team holen kann. Doch man darf diese Top-Mannschaft erneut das ganze Jahr über als eines der prägenden Teams erwarten.