DSM Coach Roy Curvers: „Wir kennen auch den Menschen John Degenkolb, nicht nur den Sportler“

John Degenkolb kehrt zurück zum Team DSM. Coach & Ex-Teamkollege Roy Curvers ist davon überzeugt, dass es für Team und Fahrer eine gute Idee ist.

Nach fünf Jahren kehrt John Degenkolb zurück zum Team DSM. Der inzwischen 32-Jährige feierte bei der Mannschaft von Iwan Spekenbrink seine größten Erfolge – gewann mit Mailand-Sanremo und Paris-Roubaix 2015 zwei Monumente. Sein damaliger Teamkollege Roy Curvers blieb beim Team und arbeitet nun als Coach und Sportlicher Leiter – er ist davon überzeugt, dass Degenkolbs Rückkehr eine gute Idee ist. „Wir kennen John schon so lange, wissen genau, wie man gemeinsam erfolgreich arbeitet“, sagt Curvers.
Der Niederländer war für Degenkolb damals eine wichtige Person. „Roy hatte viel Erfahrung und gab sein Wissen an uns junge Fahrer weiter. Er hat uns die nötige Ruhe gegeben und war in Sachen Renntaktik enorm wichtig, auch für mich“, sagt Degenkolb über den Niederländer, der 2019 seine aktive Karriere beendet hat.

Doch die Rollen werden künftig andere sein, das Verhältnis ein anderes. „Vielleicht wird es ein wenig komisch sein“, antwortet Curvers mit einem Lachen auf die Frage, ob es gut funktionieren kann, wenn er nun Degenkolbs Chef wird. „Ich denke nicht, dass ich in den Rennen sein direkter Chef sein werde. Aber ich denke, dass unser Verhältnis uns dabei helfen wird, gemeinsam an einigen Sachen zu arbeiten. Eben weil wir uns so gut kennen, können wir gut zusammenarbeiten„.

 

„Er ist ein richtiger Leader“

„Wir kennen auch den Menschen John Degenkolb, nicht nur den Sportler. Er ist ein richtiger Leader, fährt nicht nur selbst Ergebnisse ein, sondern macht, wenn er gut arbeitet, auch die Leute um ihn herum besser„, sagt Curvers. Gerade das war ein wichtiger Punkt bei der Überlegung, Degenkolb zurück ins Team zu holen, das extrem viele junge Fahrer hat. „Ja, das Profil von John passt. Er ist ein sehr erfahrener Profi, hat viel in seiner Karriere erlebt. Man hat es auch bei der Deutschland Tour gesehen, als er die jungen Fahrer an die Hand genommen hat. Genau solch einen Typ brauchen wir, weil wir wissen, wie John persönlich ist“. 

Degenkolb als Kapitän der jungen Nationalmannschaft – Pirmin Benz (21), Jakob Geßner (21), Jannis Peter (21), Jonas Rutsch (23), Henri Uhlig (20) – bei der Deutschland Tour

 

„Sind nicht streitend auseinander gegangen“

Als Degenkolb 2016 das Team in Richtung Trek-Segafredo verließ, deutete nicht viel auf eine künftige Rückkehr hin. Man lag bei einigen Punkten mit den Ansichten zu weit auseinander. „Wir waren vor fünf Jahren als Team an einem Punkt in unserer Entwicklung, und John stand an einem Punkt seiner Karriere, wo man bestimmte Entscheidungen treffen muss. Damals haben wir aufgrund unserer damaligen Situation die Entscheidungen getroffen, heute sind wir aber fünf Jahre weiter. Wir als Mannschaft stehen nun wieder an einem Punkt, wo wir eine sehr junge Mannschaft haben. John steht nun auch an einem anderen Punkt seiner Karriere, hat auch bei seinen Stationen nach uns viel gesehen und gelernt. Es ist aber nicht so, dass wir streitend auseinander gegangen sind. Es ist vielmehr so, dass wir jetzt an einem Punkt sind, wo es wieder passt. Ich war mit ihm auch in den vergangenen fünf Jahren in gutem Kontakt und auch das ist der Grund, warum wir nun wieder gut zusammenarbeiten können“, so Curvers. 

Roubaix 2015: De Kort, Degenkolb, Curvers, Sinkeldam, De Backer

 

„Ich denke, wir haben generell immer gut zusammenbearbeitet“

Dass Degenkolb und DSM nun wieder zusammenfanden, überrascht Curvers nicht. „Es war nicht so, dass alles schlecht und John mit allem unzufrieden war und einfach weg wollte. Er war damals an einem Punkt, wo er nach neuen Sachen gesucht hat. Klar, gibt es immer mal Sachen, die einem nicht passen. Du siehst mit der Erfahrung aber auch, was wichtig ist, was eher Kleinigkeiten sind. Ich denke, wir haben generell immer gut zusammenbearbeitet. Ich kann mich gut an unser letztes gemeinsames Rennen erinnern, den Münsterland Giro. Er hat gewonnen und für uns alle war das wahnsinnig emotional und wirklich toll, nach dem Unfall (Anmerk. Redaktion: Degenkolb und sein Team wurden im Trainingslager vor der Saison 2016 von einem Auto umgefahren. Degenkolb verletzte sich schwer, verlor fast einen Finger und fiel lange aus). Wir alle haben uns damals wahnsinnig gefreut, dass John wieder Rennen gewinnen konnte, auch wenn er wenig später das Team verließ. Und auch nach seinem Wechsel haben wir uns ein gutes Verhältnis bewahrt. Und genau so waren auch die Reaktionen, als bekannt wurde, dass er zurückkommt. Es gab bei uns nur positive Reaktionen und alle haben sich gefreut“, so Curvers. 

Nach dem Sieg in Münster – Degenkolb und Curvers

 

Ein anderes Team, eine große Aufgabe

Vom Team von 2016 sind nur noch Nikias Arndt, Søren Kragh Andersen und Martijn Tusveld (damals Stagiaire) im aktuellen Kader. Degenkolb trifft nun auf viele junge Fahrer und wird mit all seiner Erfahrung gefordert sein, dem zuletzt strauchelnden Team wieder auf die Beine zu helfen. Mit all den Top-Talenten ist bei DSM definitiv Potenzial vorhanden – dass man nun einen sehr erfahrenen Mann mit echten Leader-Qualitäten zurückholt, kann man durchaus als cleveren Schachzug der Teamleitung sehen.

Beim ersten Team-Treffen war die Stimmung dem Vernehmen nach gut und ausgelassen. Der Wirbel um den vorzeitigen Abgang von Ilan van Wilder scheint intern keine gravierenden Spuren hinterlassen zu haben. Doch vor allem auf die Klassikerfraktion wartet wohl noch viel Arbeit, will man an frühere Erfolge anknüpfen und das schwache Frühjahr 2021 vergessen machen. Mit John Degenkolb kommt nun Qualität, Erfahrung und auch ein wenig Hoffnung zurück ins Team.


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