Roglic – beeindruckend, vor allem als Sportsmann
Dieser Schlusstag der Fernfahrt Paris-Nizza wird bei vielen lange im Gedächtnis bleiben. Verrückt, auf mehreren Ebenen, vor allem für Primoz Roglic. Dieser Tag ist ein perfektes Beispiel dafür, dass dieser Sport bei allen wissenschaftlichen Entwicklungen, marginal Gains und Innovationen, am Ende doch ein wenig unberechenbar bleibt.
Sportlich gesehen spielte sich ein Drama ab, was es im Radsport schon oft gab. Ein Rennen ist erst am Zielstrich zu Ende, heißt es eben nicht umsonst. Da stürzt der absolut stärkste Fahrer im Rennen gleich zwei Mal. Schulter ausgerenkt, zurückgekommen, zweiter Sturz, abgehängt, nicht wiedergekommen. Es waren nur 150 Meter, die Roglic mit seinen Helfern hinter dem Feld waren. Hätte er den Anschluss geschafft, vielleicht hätte die Minute Vorsprung, die er vor der Etappe hatte, gereicht. Hätte, hätte, …. 150 Meter sind eben manchmal eine Welt.
Chancenlos
Diese Szene würde man gern den Sommer-Radsport-Tour-de-France-Zuschauern der ARD zeigen, wenn sie sich wundern, warum Emanuel Buchmann nicht einfach mal bei einer Flachetappe angreift. Manchmal fährt man nämlich nicht vorrangig gegen menschliche Gegner, sondern vor allem die Physik. Wenn vorn drei Mannschaften volles Rohr die menschliche Traube durch den Wind prügeln, kann hinten selbst der stärkste Fahrer allein den Wind teilen, er wird sie nicht mehr wiedersehen.
So erging es Primoz Roglic, dem besten Fahrer von Paris-Nizza 2021. Ein herber Schlag für ihn, ohne Frage. So kurz vor dem Sieg das Gelbe Trikot zu verlieren. Auch wenn es diesmal ganz anders war, die Erinnerungen an die Tour de France 2020 und das legendäre Zeitfahren kommen unweigerlich zurück.
Echter Champion
Wie Roglic am Sonntag mit dieser Niederlage umging, war beeindruckend und vorbildhaft. Er fuhr Vollgas, bis ins Ziel, obwohl er wusste, dass Gelb weg ist. Dann rollte er zu Maximilian Schachmann und faustete ihn ab. Fair gratuliert, nach einer extrem bitteren Niederlage.
Keine 30 Minuten zuvor sah er das Ende des Feldes direkt vor sich, greifbar nahe. So wie seine Hüften aussahen, aufgeschürft und blutverschmiert, dürfte sein Körper ihm trotz Adrenalinrausch Signale des Schmerzes gesendet haben. Er bekommt über den Funk gesagt, dass vorn im Feld drei Mannschaften Vollgas fahren, mehr als 100%. So hart ist Radsport. Dennoch kein Meckern bei Roglic. Kein Verschwinden im Teamauto. Er gratuliert dem Sieger fair und stellt sich den Fragen der Presse. Es scheint bei ihm so, als sei es für ihn eine Selbstverständlichkeit.
Da trifft es ausgerechnet den Mann, dem einen Tag zuvor fehlender Respekt vorgeworfen wurde, weil er Gino Mäder nicht den Sieg schenkte. Mit seinem Verhalten nach der Niederlage am Sonntag brachte Roglic viel mehr Respekt zum Ausdruck, als man durch einen ganzen Strauß von Etappengeschenken machen kann.
„Das ist Teil des Sports“, sagte Roglic über die Stürze und seine Niederlage. Ein Satz, der aus seinem Mund viel klarer, einleuchtender und wahrhaftiger klingt, als von all den Reportern, die es ebenso sagten. Roglic wirkt kühl, distanziert, siegeshungrig, ehrgeizig und zielstrebig. Nach seinen Niederlagen verhält er sich als Sportsmann. Genau das macht Champions aus.