Die Saison 2022 war so etwas wie der Durchbruch von Hannes Wilksch. Zumindest auf der Straße, denn auf der Bahn war er bereits Weltmeister in der Juniorenklasse. Eine bärenstarke Tour de l’Avenir beendete er als Helfer auf Rang sieben. Bei der Tour de l’Ain gewann er die Bergwertung und beim U23-Giro wurde er Gesamtsiebter. Wilksch ist eines der großen deutschen Radsport-Talente, ein fleißiger Arbeiter, der auf dem besten Weg zum Profi ist.
Bevor Hannes Wilksch zum Radsport kam, hat er Fußball gespielt. „Ich war richtig scheiße“, sagt Wilksch trocken. „Da hab ich ganz schnell gemerkt, dass das nicht mein Sport ist“. Mit seinem Vater ist er Mountainbike gefahren und da klar war, dass der Junge Sport braucht, ging es zum RSC Strausberg. „Ich war vom ersten Tag an Feuer und Flamme“, erzählt Wilksch. Es dauerte nicht lange, dann stand das erste Rennen an und „das hat richtig Spaß gemacht“, so Wilksch. Die Liebe zum Radrennen war geweckt, und es blieb dabei.
Dass in ihm Talent schlummert, war durchaus zu erahnen. Zu Hause wurde Wilksch aber eher gebremst, als angeschoben. „Es gab da gar keinen Druck. Ich bin mit meinem Papa auch oft zusammen Rad gefahren, aber den hab ich recht schnell abhängt“, sagt Wilksch mit einem Lachen.
Irgendwann stand dann die Frage im Raum, ob er auf die Sportschule gehen soll. „Es war mir zwar klar, dass es ohne auf die Sportschule zu gehen mit der Rad-Karriere sehr schwer wird, aber ich wollte nicht weg von zu Hause“, erinnert sich Wilksch. „Ich hab dann aber gedacht, zurück kannst du immer noch und mich doch für die Sportschule entschieden.“ Am Anfang hatte er tatsächlich Probleme, doch das war schnell überwunden. Zunächst in Frankfurt Oder, später dann in Cottbus.
Im Schatten
In der U17 in Cottbus fuhr er gut, wenn auch nicht überragend. „Ich wurde von Jürgen Kummer betreut und war ordentlich unterwegs“, sagt Wilksch. Bei der Jugend-Olympiade lief es dann richtig gut, er machte auf sich aufmerksam. Vor allem auf der Bahn fuhr Wilksch stark. „Schon in der U17 war ich auf der Bahn recht erfolgreich und bin dann in den Junioren ein wenig in die Bahnschiene geraten“.
Dass Wilksch dann die Bahn mehr mit der Straße kombinierte, geschah auch unter dem Einfluss von Bahn-Bundestrainer Tim Zühlke. Als Junior fuhr er dann auch auf der Straße richtig schnell und so nahm der Karriereweg seinen Lauf. „Es hat 2019 wirklich sehr gut funktioniert. Ich hab mit der Saarland Trofeo ein Nationscup-Rennen gewonnen und hatte weitere gute Ergebnisse“.
Wilksch fuhr zwar gut, doch zu seinem Jahrgang gehören weitere starke deutsche Fahrer – Michel Heßmann, Maurice Ballerstedt und Georg Steinhauser sind ebenfalls Jahr 2001. Kim Heiduk, Felix Engelhardt und auch Florian Lipowitz sind nur ein Jahr älter, Marco Brenner ein Jahr jünger – so blieb Wilksch bei der starken deutschen Konkurrenz ein wenig im Schatten.
Doch durch die guten Ergebnisse im Jahr 2019 hatte Wilksch Optionen für den weiteren Weg. „Als die Anfrage von DSM kam, in ihr Development-Team zu wechseln, musste ich nicht lange überlegen“, so Wilksch. Professionelle Struktur, ein gutes Rennprogramm und starke Teamkollegen – die Zusage für DSM fiel ihm nicht schwer. Bei den „Talent-Tagen“ des Teams hatte Wilksch schon einen Eindruck bekommen, mit Niklas Märkl zudem einen Kontakt, der bereits seit 2018 zur Nachwuchs-Mannschaft des Teams gehörte.
Die Corona-Jahre 2020 und 2021 waren gerade für Nachwuchssportler nicht so einfach, denn während die Profis viele Rennen nachholten, wurde im U23-Bereich einiges gestrichen. Dennoch entwickelte sich Wilksch weiter. „Ich springe schnell auf Sachen an, muss dennoch hart arbeiten“, sagt Wilksch ruhig. „Ich bin sicher nicht talentlos, aber eher ein harter Arbeiter“.
Tudor – der nächste Schritt
Professionell arbeitete er an sich, das Ziel, den nächsten Sprung zu machen vor Augen. Das Jahr 2022 war dann der Durchbruch. Der gute U23-Giro, der Gewinn der Bergwertung bei der top besetzten Tour de l’Ain, die starke Tour de l’Avenir als Helfer für Michel Hermann, dazu ein starkes Rennen bei der WM, als er lange in der Spitzengruppe war und am Ende noch für Heßmann arbeitete. Kein Wunder also, dass Wilksch bei einigen Teams Interesse weckte.
Nun geht Wilksch den nächsten Schritt. Er schließt sich dem Tudor-Team an, einem Schweizer Projekt. „Sie haben Interesse gezeigt, mir das Projekt vorgestellt und ich war sofort begeistert. Da sind Leute beteiligt, die sich im Radsport exzellent auskennen und ich habe dein sehr gutes Gefühl. Dass ich gemeinsam mit dem Projekt wachsen kann, ist auch spannend“, so Wilksch.
Cheftrainer bei Tudor ist Sebastian Deckert, der Wilksch schon bei DSM kennengelernt hat. „Hannes ist ein ganz starker Arbeiter“, sagte Deckert über Wilksch. „Man hat gesehen, auf welchem Level er ist und dass er nicht nur als Helfer stark ist, sondern auch Top-Ergebnisse einfahren kann.“ Wilksch wird bei Tudor zunächst für das U23-Team fahren. „Er hat eine super Basis, da wurde schon in Cottbus ein gutes Fundament gelegt. Er hat sich kontinuierlich weiterentwickelt und soll das nun auch weiter tun. Er soll sich ausprobieren, nicht nur mitfahren. Er soll den Renninstinkt schulen, seine eigene Chance suchen und so weiter Erfahrungen sammeln. Dazu wird er bei uns auf jeden Fall Gelegenheit bekommen“, so Deckert.
Wie es dann weitergeht, wird man sehen – die Tür zu den Profis scheint sehr weit offen zu stehen. „Hannes ist ein zielstrebiger junger Mann, der in seine Träume investiert und genau weiß, was er will“, sagt Deckert und sieht in ihm einen künftigen Profi. Bei Tudor winkt Wilksch ein gutes Rennprogramm, er wird seine Chancen bekommen.
Mit dem Wechsel von DSM zu Tudor beginnt für Wilksch ein neuer Abschnitt, es soll der letzte auf dem Weg zum Profi werden. „Der Wechsel fühlt sich richtig an und es ist ein wichtiger Schritt. Ich spüre das Vertrauen des Teams und das gibt ein gutes Gefühl“, sagt der 21-Jährige ruhig. Er ist ehrgeizig und zielstrebig, doch es ist ihm wichtig zu betonen, wie viel Unterstützung er auf seinem Karriereweg bislang bekommen hat. „Ich wurde immer unterstützt, das ging schon beim RSC Strausberg los. Auch meinen Trainern in den Sportschulen verdanke ich viel, ganz besonders aber meinen Eltern. Dass die mich immer zu den Rennen gefahren haben, was die sich jedes Wochenende ans Bein gebunden haben, war Wahnsinn“, so Wilksch. Bis heute spüre er den Support der Familie, das sei ihm besonders wichtig.
Der Vertrag mit dem Devo-Team bei Tudor läuft ein Jahr. Wie es dann weitergeht, wird man sehen. Wilksch hat das Zeug zum Profi und wird ganz sicher weiter hart an sich arbeiten. Es wäre wenig überraschend, würde man in Zukunft noch einiges von hören.