Mit nur sechs Saisonsiegen steht das Team EF-Drapac auf dem drittletzten Platz im World-Tour-Teamranking. Die amerikanische Mannschaft hat sich während der Saison dennoch ordentlich verkauft und einige gute Ergebnisse eingefahren. Kapitän Rigoberto Uran hatte sich nach seinem 2. Platz bei der Tour de France 2017 erneut auf die Frankreich-Rundfahrt konzentriert, musste dort aber nach einem Sturz aufgeben. Dennoch sorgte auch er für ordentliche Ergebnisse. Ob bei den Klassikern oder den Etappenrennen, das Team war häufig nah dran, verpasste aber meist knapp den Sieg.
Bei der Saisonbilanz muss man auch berücksichtigen, dass die Mannschaft 2017 fast vor dem Aus stand und erst spät in der Saison durch den Einstieg von EF Education First gesichert wurde. So hatte beispielsweise Dylan van Baarle bereits einen Vertrag bei einer anderen Equipe unterschrieben, ehe die Rettung kam. Das Team hat keine überragende Saison geliefert, war aber deutlich besser, als es die sechs Saisonsiege erahnen lassen.
Bei den Klassikern ohne Glück
Dritter beim Omloop, Dritter bei der Ronde, Sechster in Roubaix – Sep Vanmarcke hat durchaus ein ordentliches Frühjahr hingelegt. Doch für einen Sieg reichte es, wie schon 2017, das ganze Jahr nicht. Für die Ardennen hat man mit Michael Woods einen erstklassigen Fahrer, der in diesem Jahr noch einmal einen Sprung gemacht hat. Bei Lüttich-Bastogne-Lüttich war Woods der Stärkste, ließ aber Bob Jungels entwischen und musste sich mit Rang zwei begnügen.
Bei der Tour im Rampenlicht, dank Pechvogel Lawson Craddock
Sportlich lief es für das Team bei der Tour de France nicht wie gewünscht. Kapitän Rigoberto Uran musste das Rennen früh verlassen. Doch mit Lawson Craddock hatte man einen heimlichen Star der Tour im Team, der für die gewünschte mediale Aufmerksamkeit sorgte. Craddock stürzte auf der ersten Etappe und brach sich das Schulterblatt. So kämpfte der Amerikaner vom zweiten Tag an darum, irgendwie bis Paris durchzuhalten. Meist weit am Ende des Feldes, mit großen Schmerzen beim Bremsen kämpfte sich Craddock durch Frankreich. In der Gesamtwertung weit abgeschlagen und ausgerechnet mit der Startnummer 13 im Rennen wurde er der heimliche Star dieser Tour. Die Fans feierten ihn, die Medien berichteten jeden Tag und so konnten sich auch Team und Sponsor freuen. Craddock startete dann noch eine Spenden-Aktion, bei der er für die heimische, durch den Wirbelsturm Harvey schwer beschädigte Radrennbahn in Houston 100$ je abgeschlossener Etappe spendete. Er fragte die Fans, wer noch mitmacht. Eine sensationelle Aktion, die am Ende fast 300.000 Dollar einbrachte. Selten zuvor hatte ein sportlich eher wenig erfolgreiches Team bei der Tour so viel Aufmerksam.
Guter Herbst, Tränen bei der Vuelta
Im Herbst lief es sportlich wieder besser und Michael Woods sorgte für die emotionalste Geschichte dieser Saison. Der Kandier brach in Tränen aus, als er auf der 17. Etappe der Vuelta seinen zweiten Profi-Sieg (der erste seit 2015) einfuhr. Seine Frau hatte wenige Wochen zuvor den gemeinsamen Sohn tot zur Welt gebracht und Woods wurde von seinen Emotionen überwältigt. Unter Tränen erzählte er den Journalisten vom Namen seines Sohnes und wie sehr er diesen Sieg einfahren wollte um ihn seiner Familie nach der extrem harten Zeit zu widmen.
Neben Woods konnte auch sein Teamkollege Simon Clarke eine Etappe bei der Vuelta gewinnen. Zudem holte Woods bei der WM eine Medaille und wurde bei den Italienischen Herbstklassikern Tre Valli Varesine und Giro dell’Emilia jeweils Vierter. Auch Uran fand im Herbst zu alter Form zurück, wurde Zweiter beim Giro dell’Emilia und Vierter bei der Lombardei-Rundfahrt.
Viel Potenzial, mehr Siege 2019?
Auch wenn man ordentliche Leistungen zeigte, war die Ausbeute 2018 zu gering. Klar, Uran hatte Pech bei der Tour und Sep Vanmarcke schien bei den Klassikern zu früh in Form. Pierre Rolland war wie immer stets bemüht, aber oft glücklos. Der Franzose wird genau wie Will Clarke und fünf weitere Fahrer das Team verlassen. Mit 10 Neuzugängen wird das Team sich zur neuen Saison stark verändern, auch wenn die Kapitäne Uran, Woods und Vanmarcke bleiben. Auch das 22-jährige Talent Daniel Felipe Martínez bleibt in der Mannschaft.
Alberto Bettiol kehrt nach einem Jahr bei BMC zurück und kann bei den Klassikern auftrumpfen. Tejay van Garderen gilt in Europa zwar als ewiges Rundfahrttalent, ist aber in den USA sehr beliebt und kann bei den amerikanischen Rennen durchaus für Furore sorgen. Mit Moreno Hofland kommt ein endschneller Mann und mit dem 31-jährigen Tanel Kangert hat man einen exzellenten Bergfahrer verpflichtet. Dazu kommen gleich vier Neo-Profis ins Team. Vielleicht ist dem Team damit eine gute Mischung gelungen.